Der Mythos vom gefährlichen Vitamin D

Der Mythos vom gefährlichen Vitamin D

Immer wieder belegen Studien sowie unzählige Erfahrungswerte die hohe therapeutische Anwendungsbreite und damit die hohe Sicherheit von Vitamin D. Trotzdem wird seitens einiger Vitamin-D-Skeptiker mit Beharrlichkeit die Angst vor einer Vitamin-D-Überdosierung mittels Falschinformationen fortlaufend geschürt. Brandaktuelle Daten aus großflächigen Untersuchungen machen nun den falschen Gerüchten und der Angst vor Vitamin D den Garaus.

Hyperkalzämie und daraus resultierende Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Nierenprobleme und Gefäßverkalkungen, sind im Wesentlichen die einzigen bedrohlichen Nebenwirkungen, die bei enorm hoher Verabreichung von Vitamin D über längere Zeiträume entstehen können. Die folgende Untersuchung dient dazu, ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, wie exorbitant hoch die Mengen an Vitamin D sein müssen, um eine toxische Wirkung zu verursachen.


Einordnung der Zahlen

Um die Relationen richtig einordnen zu können, betrachten wir vorerst wie die Behörden und öffentlichen Institutionen mit dem Thema Vitamin-D-Einnahme-Empfehlungen umgehen:

  1. Die DGE empfiehlt eine täglich Vitamin-D-Zuführung von 800 I.E. täglich
  2. In der EU dürfen grundsätzlich nicht mehr als 1000 I.E. täglich von den Herstellern empfohlen werden. Dieser Wert kennzeichnet daher auch alle Vitamin-D-Präparate, was zu Verwirrung bei vielen Gesundheitssuchenden führt.
  3. Die sichere obere Einnahmemenge (UL) von Vitamin D liegt laut EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) bei  4000 I.E. Vitamin D täglich.

Übrigens, bei einem ausgewogenen Sonnenbad im Sommer bzw. auf einer modernen Sonnenbank, können Sie bis zu 25.000 I.E Vitamin D in Ihrer Haut auf natürliche Weise produzieren. Bei der Untersuchung, die wir im Folgenden betrachten, wurden bis zu 150.000 I.E. Vitamin D verabreicht.


Studiendesign

Im März 2022 veröffentlichte die Forschergruppe um Prof. Dr. Michael F. Holick, Direktor der allgemeinen klinischen Forschungsabteilung und Klinik für Knochengesundheit im Universitätsklinikum Boston, USA, eine Studie zu den Sicherheitsdaten von 319 Patienten, die über einen Zeitraum von 3,5 Jahren nach dem sogenannten Coimbra-Protokoll behandelt wurden. Das Coimbra-Protokoll ist eine nach einem brasilianischen Arzt benannte Behandlungsmethode, bei der u.a. sehr hohe Vitamin-D-Dosen an autoimmunerkrankten Patienten verabreicht werden.

Das Coimbra-Protokoll darf nur von erfahrenen Ärzten an ihren Patienten angewendet werden und umfasst neben hohen Vitamin-D-Dosen noch andere wichtige Aspekte:

  • Konstante Flüssigkeitsaufnahme von mindesten 2.5 Liter pro Tag - bei Flüssigkeitsverlust muss dies zusätzlich kompensiert werden.
  • Weitgehende Vermeidung von zu kalziumreichen Lebensmitteln wie Milchprodukte, Nüsse und hohe Konzentrationen von dunkelgrünem Gemüse. Die Kalzium-Aufnahme sollte 500 mg / Tag nicht übersteigen.
  • Als Kofaktoren von Vitamin D dürfen Magnesium, Vitamin A und Vitamin K2 natürlich nicht fehlen und müssen ebenfalls täglich supplementiert werden.
  • Regelmäßige Laboruntersuchungen mit anschließender ärztlicher Bewertung sind verpflichtender Teil dieses Behandlungsprotokolls.
  • Bestimmte Stressbewältigungsmethoden und Bewegung/Sport werden den Patienten nahegelegt.

Dosierung

Sofern keine Kontraindikationen hinsichtlich der persönlichen Vorgeschichte oder Ausgangslaborergebnisse vorlagen, wurde in der Regel mit der Verordnung von oralem Vitamin D in der folgenden täglichen Anfangsdosis begonnen:

  • 1000 I.E./kg Körpergewicht bei Multipler Sklerose
    • bei einem Körpergewicht von 70kg entspricht das 70.000 I.E. Vitamin D täglich
  • 300–1000 I.E./kg Körpergewicht für die meisten anderen Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Bindegewebserkrankungen, Plaque-Psoriasis, entzündliche Darmerkrankungen
    • bei einem Körpergewicht von 70 kg entspricht das 21.000 I.E. - 70.000 I.E. Vitamin D täglich
  • 150–300 I.E./kg Körpergewicht bei Autoimmunentzündung der Schilddrüse
    • bei einem Körpergewicht von 70 kg entspricht das 10.500 I.E. - 21.000 I.E. Vitamin D täglich
  • Die letztgenannte Dosierung war in der Regel die Anfangsdosis bei Kindern für alle Diagnosen.
  • Die maximale Dosis betrug 150.000 I.E. Vitamin täglich.

Ergebnis

Die Auswertungen ergaben durchgehend schwache Korrelationen zwischen der Dosierung von Vitamin D und den Serumkalziumspiegeln sowie der Kalziumausscheidung über die Niere.

Die Autoren schließen daraus: "Unsere Daten zeigen die zuverlässige Sicherheit des Coimbra-Protokolls bei Autoimmunpatienten unter angemessener Überwachung durch erfahrene Ärzte."


Fazit

Wie alle Substanzen, die sich der Mensch zuführt, kann auch Vitamin D in zu hohen Dosen toxisch wirken und dies gilt es in jedem Fall zu vermeiden. Üblicherweise sind solch hohe Vitamin-D-Dosierungen nicht notwendig und falls doch nur unter ärztlicher Begleitung zu empfehlen. Die Studie bestätigt aber, wie schon viele Untersuchungen zuvor, die Sicherheit vergleichsweise hoher Dosen von oral appliziertem Vitamin D.
Auch wir bei der SonnenAllianz empfehlen, nicht zuletzt aufgrund der rechtlichen Lage, bei der längerfristigen Einnahme von über 5000 I.E. immer einen behandelnden Arzt herbeizuziehen.


Weiterführende Links

- Nutzen Sie unseren Vitamin-D-Bedarfsrechner, um Ihre persönliche Vitamin-D-Tagesdosis zu errechnen.

- Wir haben zu diesem Thema eine Seite mit vielen spannenden Informationen ausgearbeitet.

Literaturzitate:

  1. Amon, U.; Yaguboglu, R.; Ennis, M.; Holick, M.F.; Amon, J. Safety Data in Patients with Autoimmune Diseases during Treatment with High Doses of Vitamin D3 According to the “Coimbra Protocol”. Nutrients 2022, 14, 1575. https://doi.org/10.3390/nu14081575

Titelbild: Pixelbliss / stock.adobe

Hilft Vitamin D auch bei Epilepsie?

Hilft Vitamin D auch bei Epilepsie?

Epilepsie ist mit einer Häufigkeit von 0,4 bis 1% der Bevölkerung eine weit verbreitete neurologische Erkrankung, deren Kernsymptom Krampfanfälle sind. Auch können Störungen des Bewusstseins, von Bewegungen sowie Beeinträchtigung der Wahrnehmung, des Denkens und Verhaltens Folgen epileptischer Anfälle sein. Die Ursache der Erkrankung ist bislang unbekannt, jedoch gibt es eine umfangreiche Liste von potenziell beteiligten Faktoren.

Genetische Veränderungen, strukturelle Hirnläsionen einschließlich Schlaganfall, Krebs, Trauma und verschiedene Infektionen, Stoffwechselstörungen und autoimmunbedingte Fehlregulation des Entzündungsgeschens im Körper können Anfälle hervorrufen. Sie reichen von einer veränderten Wahrnehmung der fünf Sinne über schnelle Kopf- und Augenbewegungen bis hin zu kurzzeitigen oder anhaltenden Bewusstseinsverlusten sowie zu unkontrollierten Muskelkontraktionen und Krämpfen (1).

Epileptiker besonders von Vitamin D-Mangel betroffen

Inzwischen steht fest, dass Patienten mit Epilepsie überwiegend eine Unterversorgung mit den Vitaminen D, C und B1 aufweisen. Besonders betroffen sind Patienten unter Behandlung mit Langzeit-Antiepileptika. Diese stehen im Verdacht, die angeführten Nährstoffmängel mit auszulösen (2, 3, 4). Eine Arbeit aus dem Jahr 2018 attestierte bei 90 % der Epilepsie-Patienten besonders niedrige Vitamin-D-Spiegel (5).

Eine ältere placebokontrollierte therapeutische Studie mit 23 stationären Epileptikern ergab: Erhielten Patienten 28 Tage lang täglich 16.000 I.E. Vitamin D2 (eine im Allgemeinen weniger wirkungsvolle Vitamin D-Variante pflanzlichen Ursprungs, die in den USA lange Zeit anstelle von D3 eingesetzt wurde), sank die Anfallshäufigkeit signifikant auf 67-71 %, was als eine krampflösende Wirkung interpretiert wurde. Bei der Placebogruppe gab es hingegen keine Veränderungen (6).

Eine ähnliche Beobachtung wurde in einer weiteren klinischen Studie aus dem Jahr 2012 gemacht. Ein bei 13 Patienten über 90 Tage korrigierter Vitamin-D-Mangel bei arzneimittelresistenter Epilepsie verringerte die Anfallshäufigkeit um 40 % (7).

Scheinbar widersprüchliche Ergebnisse wurden hingegen bei einer Studie festgestellt, bei der nur wöchentliche oder alle zwei Wochen Vitamin D-Gaben über wenige Wochen verabreicht wurden. Wie aufgrund der bekannten Problematik bei der Vitamin D-Intervalltherapie  nicht anders zu erwarten, waren an den Probanden keine eindeutigen Veränderungen auf das Epilepsie-Geschehen zu sehen (8). Warum Vitamin D täglich verabreicht werden sollte, damit es sein Wirkung entfalten kann, erfahren Sie in unserem Stoffwechselartikel.

In einer Pilotstudie wurde im Oktober 2019 über die Verträglichkeit von Vitamin D-Dosierungen von 5000 I.E. täglich berichtet. Die angewandten Vitamin D-Dosen wurden dabei als sicher und verträglich eingestuft, Probleme gab es keine. Nach Anhebung des Vitamin D-Spiegels über die 20 ng/ml-Marke reduzierte sich die berechnete mittlere Anfallshäufigkeit von 5,18 Epilepsie-Anfällen pro Monat auf 3,64 Anfälle, und dies bereits in der sechsten Woche nach Beginn der Supplementierung. Die mittlere Reduzierung der Anfallshäufigkeit betrug in diesem Zeitraum minus 26,9% (9).

Fazit: Antiepileptika wirken oftmals als sogenannte Vitamin-D-Räuber. Epileptiker sollten ihren Vitamin-D-Spiegel daher besonders gut im Auge behalten. Eine tägliche Vitamin-D-Einnahme in ausreichender Menge ist notwendig, damit das Sonnenhormon seine volle Wirkung entfalten kann. 

Literaturzitate:

  1. Kim J-E, Cho K-O (2019). Functional Nutrients for Epilepsy. Nutrients, 11(6), 1309. DOI: 10.3390/nu11061309Teagarden DL, Meador KJ, Loring DW (2014). Low vitamin D levels are common in patients with epilepsy. Epilepsy Research, 108(8), 1352–1356. DOI: 10.1016/j.eplepsyres.2014.06.008
  2. Teagarden DL, Meador KJ, Loring DW (2014). Low vitamin D levels are common in patients with epilepsy. Epilepsy Research, 108(8), 1352–1356. DOI: 10.1016/j.eplepsyres.2014.06.008
  3. Chaudhuri JR, Mridula KR et al (2017). Association of 25-Hydroxyvitamin D Deficiency in Pediatric Epileptic Patients. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5493830/
  4. Offermann G, Pinto V, Kruse R (1979). Antiepileptic Drugs and Vitamin D Supplementation. Epilepsia, 20(1), 3–15. DOI: 10.1111/j.1528-1157.1979.tb04771.x
  5. Shaikh AS, Guo X (2018). The Impact of Antiepileptic Drugs on Vitamin Levels in Epileptic Patients. Current Pharmaceutical Biotechnology, 19(8), 674–681. DOI: 10.2174/1389201019666180816104716
  6. Christiansen C, Rodbro P, Sjo O (1974). Anticonvulsant Action of Vitamin D in Epileptic Patients? A Controlled Pilot Study. Bmj, 2(5913), 258–259. DOI: 10.1136/bmj.2.5913.258
  7. Holló A, Clemens Z et al (2012). Correction of vitamin D deficiency improves seizure control in epilepsy: A pilot study. Epilepsy & Behavior, 24(1), 131–133. DOI: 10.1016/j.yebeh.2012.03.011
  8. Tombini M, Palermo A et al (2018). Calcium metabolism serum markers in adult patients with epilepsy and the effect of vitamin D supplementation on seizure control. Seizure, 58, 75–81. DOI: 10.1016/j.seizure.2018.04.008
  9. Degiorgio CM, Hertling D et al (2019). Safety and tolerability of Vitamin D3 5000 IU/day in epilepsy. Epilepsy & Behavior, 94, 195–197. DOI: 10.1016/j.yebeh.2019.03.001

 

Titelbild: peterschreiber.media / stock.adobe