Vitamin D schützt vor und hilft bei Diabetes und seinen Folgeschäden

Vitamin D schützt vor und hilft bei Diabetes und seinen Folgeschäden

Weltweit leiden zu Beginn der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts 463 Millionen Menschen an einem Diabetes. Bis zu 90 % der Neu-Erkrankungen könnten durch einen gesünderen Lebensstil verhindert werden. Ein wichtiger und vor allem leicht umzusetzender Faktor für einen gesünderen Lebensstil ist es, seinen Vitamin D-Spiegel zu optimieren. Denn neue Studien zeigen: Vitamin D hilft Diabetes zu vermeiden und reduziert Folgeschäden.

Vitamin D-Spiegel von >50 ng/ml mit 71% geringerem Risiko verbunden

An einer Studie, die Ende 2020 veröffentlicht wurde, nahmen 2423 Prädiabetiker teil. Sie erhielten täglich 4000 I.E. Vitamin D, um zu untersuchen, ob dies das Risiko für Typ-2-Diabetes verringern würde.
Ergebnis: Jede Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels um 10 ng/ml reduzierte das Risiko für Typ-2-Diabetes um 25%. Bei denjenigen, die Vitamin-D-Spiegel von >50 ng/ml erreichen, sank das Risiko sogar um 71%.

Schlussfolgerung der Studienautoren: "Die tägliche Vitamin D-Supplementierung zur Aufrechterhaltung eines Vitamin D-Spiegels von 40 ng/ml ist ein vielversprechender Ansatz zur Reduzierung des Diabetesrisikos bei Erwachsenen mit Prädiabetes (1)."


Vitamin D hilft auch bei der Behandlung diabetischer Folgeschäden

Sogar dann, wenn zu viel Zucker im Blut bereits zu Schädigungen geführt hat, kann Vitamin D helfen, sofern es in ausreichender Dosierung verabreicht wird. Wenn dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel das Nervensystem angreifen, nennt man diesen Folgeschaden “diabetische Neuropathie”.

Das Forscherteam um den Wissenschaftler R. Pinzon konnte durch eine achtwöchige Gabe von 5000 I.E. Vitamin D beachtliche Erfolge im Verlauf dieser diabetischen Folgeerkrankung erzielen. An der  kontrollierten randomisierten Studie, die im Dezember 2021 veröffentlicht wurde, nahmen 68 Patienten mit diabetischer Neuropathie teil, von denen die Hälfte ausschließlich mit einer Standardtherapie und die andere Hälfte zusätzlich mit Vitamin D versorgt wurden.

Ergebnis: In der Vitamin D-Gruppe verbesserten sich die Bewertungen nach der “Visuellen Analogskala” (VAS) mit -3,34 Punkten signifikant mehr als in der Vergleichsgruppe (-2,37).
Der symptomatische brennende Schmerz reduzierte sich in der Vitamin D-Gruppe auf 1,76 im Vergleich zu 6,18. Die Stimmung verbesserte sich um 88,2%, in der Vergleichsgruppe nur  um 70,6%.

Schlussfolgerung der Autoren: "Die Zugabe von oralem Vitamin D 5000 I.E. zur Standardbehandlung verbessert Schmerzen, Stimmung und Vitamin-D-Spiegel signifikant effektiver als die Standardbehandlung alleine bei Patienten mit diabetischer Neuropathie (2)."


Vitamin D im Jugendalter verhindert Diabetes im Alter

Und auch im neuen Jahr gibt es neue Erkenntnisse in Sachen Diabetes. In einer kürzlich publizierten Analyse aus dem Januar 2022 wird erwogen, die iranische Jugend flächendeckend mit Vitamin D zu versorgen.
In einem nationalen Gesundheitsprogramm, bei dem über eine Millionen Gymnasiasten für neun Monate mit 50.000 I.E. Vitamin D/Monat versorgt wurden, stellte sich heraus, dass damit das Risiko im Erwachsenenalter an Diabetes zu erkranken drastisch reduziert wird.

Konkret schlussfolgert das Wissenschaftlerteam: “Basierend auf den Ergebnissen könnte das nationale Vitamin D-Supplementationsprogramm für iranische Jugendliche eine kosteneffektive Strategie sein, um das Diabetesrisiko im Erwachsenenalter zu reduzieren. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre eine Vitamin D-Supplementierung, insbesondere bei Jugendlichen mit Vitamin D-Mangel, sinnvoll (03).”

Literaturzitate:

  1. Dawson-Hughes, B., Staten, M. A., Knowler, W. C., Nelson, J., Vickery, E. M., LeBlanc, E. S., Neff, L. M., Park, J. & Pittas, A. G. (2020). Intratrial Exposure to Vitamin D and New-Onset Diabetes Among Adults With Prediabetes: A Secondary Analysis From the Vitamin D and Type 2 Diabetes (D2d) Study. Diabetes Care, 43(12), 2916–2922. https://doi.org/10.2337/dc20-1765
  2. Pinzon, R. T., Wijaya, V. O. & Veronica, V. (2021). The Benefits of Add-on Therapy of Vitamin D 5000 IU to the Vitamin D Levels and Symptoms in Diabetic Neuropathy Patients: A Randomized Clinical Trial. Journal of Pain Research, Volume 14, 3865–3875. https://doi.org/10.2147/jpr.s341862
  3. Zandieh, N., Hemami, M. R., Darvishi, A., Hasheminejad, S. M., Abdollahi, Z., Zarei, M. & Heshmat, R. (2022). Economic evaluation of a national vitamin D supplementation program among Iranian adolescents for the prevention of adulthood type 2 diabetes mellitus. BMC Complementary Medicine and Therapies, 22(1). https://doi.org/10.1186/s12906-021-03474-0

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Studie: Enorme Risikoreduktion für Prädiabetiker

Studie: Enorme Risikoreduktion für Prädiabetiker

In Deutschland sind derzeit mindestens acht Millionen Menschen von Diabetes betroffen, pro Tag kommen ca. 1600 neue Fälle hinzu. Neben der Ernährung ist Vitamin D ein Schlüsselfaktor in der Prävention von Diabetes. Zwei aktuelle hochqualitative Interventions-Studien bzw. Meta-Analysen beweisen einmal mehr die förderlichen Auswirkungen von Vitamin D auf Diabetes und die nicht-alkoholische Fettleber-Erkrankung. Vitamin D-Spiegel von über 50 ng/ml führen zu einer drastischen Risikoreduktion für Prädiabetiker einen manifesten Diabetes zu entwickeln und verbessern Blutwerte signifikant, auch bei Fettleber.

Vitamin D schützt vor Diabetes - 71% geringeres Risiko für Prädiabetiker

In der aktuellen TD2-Studie aus dem Dezember 2020 wurde die Wirkung einer täglichen Supplementierung mit 4.000 I.E. Vitamin D im Vergleich zu Placebos + max. 1000 I.E. in Bezug auf das Auftreten eines Diabetes verglichen. Die mehr als 2000 teilnahmeberechtigten Probanden erfüllten mindestens zwei von drei glykämischen Kriterien (Nüchternplasmaglukose, Plasmaglucose, HbA1c) für Prädiabetes gemäß den Richtlinien der American Diabetes Association (ADA) von 2010.

Das fabelhafte Ergebnis im Kontext des Vitamin D-Spiegels: Vergleicht man die Vitamin D-Gruppe mit einem Vitamin D-Spiegel von über 50 ng/ml mit der Gruppe mit 20 - 30 ng/ml, so ist bei der ersten Gruppe eine Risikoreduktion um 71% festzustellen. Die Gruppe mit Vitamin D-Spiegeln von 40 - 50 ng/ml hatte gegenüber der Gruppe mit 20 - 30 ng/ml immer noch ein um 52% geringeres Risiko einen Diabetes zu entwickeln.

Die Schlussfolgerung der Studienautoren: Eine tägliche Vitamin D-Supplementierung zur Aufrechterhaltung eines Vitamin D-Spiegels von ≥ 40 ng/ml ist ein vielversprechender Ansatz zur Verringerung des Diabetes-Risikos bei Erwachsenen mit Prädiabetes.


RCT - Vitamin D verbessert Blutwerte bei nicht-alkoholischer Fettleber und Diabetes signifikant

Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) betrifft viele Menschen, nicht nur Übergewichtige und Diabetes-Patienten. In einer Meta-Analyse wurden zehn randomisiert kontrollierte Studien mit insgesamt 544 NAFLD-Patienten einbezogen. Die zusammenfassenden Ergebnisse zeigten, dass zusätzliches Vitamin D die Werte von Serum/Plasma-Nüchternglukose, Insulin und HOMA-IR signifikant und die ALT- und TAG-Werte geringfügig reduzierte.

Das Resümee der Studienautoren lautet wie folgt: Die vorliegende Studie liefert wesentliche Hinweise darauf, dass zusätzliches Vitamin D günstige Auswirkungen auf die Blutzuckerkontrolle und die Insulinsensitivität bei NAFLD-Patienten hat. Vitamin D könnte eine adjuvante Pharmakotherapie der NAFLD sein.


Fazit: Eine optimale Vitamin D-Versorgung sollte bei Prädiabetikern, Diabetikern und NAFLD-Patienten unbedingt in Betracht gezogen werden!

Quellen:

  1. Dawson-Hughes B, Staten MA, Knowler WC, et al. (2020) Intratrial Exposure to Vitamin D and New-Onset Diabetes Among Adults With Prediabetes: A Secondary Analysis From the Vitamin D and Type 2 Diabetes (D2d) Study. Diabetes Care, 43:2916-2922, https://doi.org/10.2337/dc20-1765.
  2. Guo XF, Wang C, Yang T, et al. (2020) Vitamin D and non-alcoholic fatty liver disease: a meta-analysis of randomized controlled trials. Food Funct, 11:7389-7399, DOI: 10.1039/d0fo01095b

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Vitamin D und das tödliche Quartett (Metabolisches Syndrom)

Vitamin D und das tödliche Quartett (Metabolisches Syndrom)

Das Metabolische Syndrom als multikausales Krankheitsbild moderner Zeiten äußert sich durch das gleichzeitige Auftreten von Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Insulinresistenz als Folge eines falschen Lebensstils. Alle 4 Erscheinungen sind Krankheitssymptome, die das Risiko für ein früheres Ableben drastisch erhöhen. Eine Reihe von Studien spricht für einen deutlichen Zusammenhang zwischen Vitamin D-Mangel und dem Krankheitsbild des Metabolischen Syndroms.

Die häufigsten Folgeerscheinungen des Metabolischen Syndroms sind bekannt als Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Verschiedene lebensstilbedingte Veränderungen wie Gewichtsreduktion durch die Einschränkung von Zucker und einfache Kohlenhydrate, regelmäßige Bewegung, Einschränkung des Drogenkonsums inklusive Alkohol aber natürlich auch ernährungstechnische Umstellungen können getroffen werden, um den Stoffwechsel wieder ins Lot zu bringen.

Zusätzlich zu den erwähnten Lebensstilfaktoren zeigen vorhandene Forschungsarbeiten, dass Vitamin D ebenfalls eine wesentlichen Rolle spielt, wenn es um die Verhinderung des Metabolischen Syndroms geht. Beispielsweise kann Vitamin D nachteilige Wirkungen eines aus dem Ruder gelaufenen Stoffwechsels umkehren, indem es Signalmechanismen blockiert oder durch Fettleibigkeit hervorgerufenen Entzündungen entgegenwirkt, die Insulinresistenz verbessert und den Bluthochdruck senkt, so das amerikanische Forschungszentrum für Sonnenlicht, Ernährung und Gesundheit in einer Arbeit aus dem Sommer 2019 (1). Da gerade die Fettleibigkeit jedoch häufig auch mit Bewegungsmangel an frischer Luft einhergeht, wird ein Vitamin D-Mangel begünstigt. Es entsteht ein Teufelskreis.

Optimale Vitamin D-Spiegel senkten die Gesamtmortalität und die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Patienten mit metabolischem Syndrom erheblich, so die Schlussfolgerung der Autoren der Ludwigshafener Risiko-Studie aus dem Jahr 2012, bei der 1801 Patienten mit der Diagnose Metabolisches Syndrom untersucht wurden. 92% der Teilnehmer waren von Vitamin D-Mangel (< 20ng/ml) betroffen, wobei 22% sogar die 10 ng/ml unterschritten, also einen extremen Mangel aufwiesen. Die Gesamtmortalität von Patienten mit optimalen Vitamin D-Spiegeln war um 75% niedriger als die Vergleichsgruppe mit extremem Vitamin D-Mangel (Abb. 1). Für kardiovaskulär bedingte Mortalität wurde sogar eine Reduktion von 85% für die regelrecht Versorgten ermittelt. Auch die Herzinsuffizienz war in dieser Gruppe um ganze 76% geringer (2).

Abb. 1: Die Sterblichkeit bei Patienten mit dem Metabolischen Syndrom steigt mit sinkendem Vitamin D (nach 2).

In China wurde 2016 eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnisse einen Vitamin D-Mangel als einen Risikofaktor für die Manifestation eines Metabolischen Syndroms bei 270 Patienten mit Typ 2-Diabetes nahe legten. Patienten mit den niedrigsten Vitamin D-Spiegeln und einem BMI >24 wiesen ein 3,26-fach höheres Risiko für ein Metabolisches Syndrom auf. Die chinesischen Forscher stellen in diesem Zusammenhang fest, dass eine Abnahme des Vitamin D-Spiegels um 10 ng/ml das Risiko für ein Metabolisches Syndrom bei solchen Patienten um den Faktor 2 erhöht (3).

Im Jahr 2017 folgten ähnliche Ergebnisse aus Japan, die an gesunden Erwerbstätigen durchgeführt wurde. Von den 1790 Arbeitern im Alter von 18 bis 69 Jahre, wurde ein umgekehrter Trend von Vitamin D-Spiegel und dem Risiko, am Metabolischen Syndrom zu erkranken, dokumentiert. Demzufolge hatten die Probanden, deren Vitamin D-Spiegel die 30 ng/ml-Grenze überschritten, ein um 48% geringeres Risiko am Metabolischen Syndrom zu erkranken, als die Vergleichsgruppe mit Vitamin D-Spiegeln von unter 20 ng/ml (4). So ganz nebenbei unterstreicht dieses Ergebnis im Übrigen wieder einmal mehr die Richtigkeit eines Grenzwertes für einen Vitamin D-Mangel von 30 ng/ml.

2019 bestätigte sich diese Beobachtung bei einer  Forschungsarbeit aus Katar eindrucksvoll: Bei den 700 beobachteten Frauen im Alter von 20-80 Jahren, war das Risiko, ein Metabolisches Syndrom zu entwickeln, bei der Gruppe mit Vitamin D-Werten im unteren Viertel um ganze 92% höher als bei den Frauen, die der Gruppe mit den höchsten Vitamin D-Spiegel angehörten (5).

Fazit: Die Studienlage erlaubt folgende Schlussfolgerungen: Entweder fördert ein Vitamin D-Mangel die Entstehung eines Metabolischen Syndroms oder aber das Metabolische Syndrom begünstigt die Manifestation eines schweren Vitamin D-Mangels. Beides ist katastrophal in Bezug auf damit in Zusammenhang stehenden Krankheitsbilder. Insofern ist ein guter Vitamin D-Spiegel in jedem Fall ein Muss in der Prävention und Behandlung des Metabolischen Syndroms. Neben dem Sonnenhormon sind aber auch weitere wichtige Lebensstilfaktoren zur Prävention des sogenannten "tödlichen Quartetts" von Bedeutung. Zu ihnen zählen eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, Verzicht auf Alkoholkonsum und Rauchen, Entspannungsphasen und weitere Maßnahmen die einen gesunden Lebensstil ausmachen.

Quellen:

  1. Moukayed, M., & Grant, W. B. (2019). Linking the metabolic syndrome and obesity with vitamin D status: risks and opportunities for improving cardiometabolic health and well-being. Diabetes, Metabolic Syndrome and Obesity: Targets and Therapy, Volume 12, 1437–1447. doi: 10.2147/dmso.s176933 
  2. Thomas, G. N., Hartaigh, B. o, Bosch, J. A., Pilz, S., Loerbroks, A., Kleber, M. E., … Marz, W. (2012). Vitamin D Levels Predict All-Cause and Cardiovascular Disease Mortality in Subjects With the Metabolic Syndrome: The Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health (LURIC) study. Diabetes Care, 35(5), 1158–1164. doi: 10.2337/dc11-1714 
  3. Pan, G.-T., Guo, J.-F., Mei, S.-L., Zhang, M.-X., Hu, Z.-Y., Zhong, C.-K., … Zhang, Z.-L. (2016). Vitamin D Deficiency in Relation to the Risk of Metabolic Syndrome in Middle-Aged and Elderly Patients with Type 2 Diabetes Mellitus. Journal of Nutritional Science and Vitaminology, 62(4), 213–219. doi: 10.3177/jnsv.62.213
  4. Akter, S., Eguchi, M., Kurotani, K., Kochi, T., Kashino, I., Ito, R., … Mizoue, T. (2017). Serum 25-hydroxyvitamin D and metabolic syndrome in a Japanese working population: The Furukawa Nutrition and Health Study. Nutrition, 36, 26–32. doi: 10.1016/j.nut.2016.02.024
  5. Ganji, V., Sukik, A., Alaayesh, H., Rasoulinejad, H., & Shraim, M. (2019). Serum vitamin D concentrations are inversely related to prevalence of metabolic syndrome in Qatari women. BioFactors. doi: 10.1002/biof.1572

Titelbild: von (Joenomias) Menno de Jong auf Pixabay

Aufgedeckt – fehlerhafte Vitamin D-Studien

Aufgedeckt – fehlerhafte Vitamin D-Studien

Was muss man tun, damit das begabteste Kind die Prüfung nicht besteht?

Unter diesem Motto wurde scheinbar eine Studie zum Thema Vitamin D geführt, dessen Ergebnis in der Fachzeitschrift „Medical Tribune“ mit dem Titel: „Falsche Hoffnung Vitamin D“ veröffentlicht wurde.

Der Vitamin D-Experte Dr. Raimund von Helden hat die Arbeit in einem Video (siehe unten) unter die Lupe genommen und führt anschaulich vor, wie die ohnehin zweifelhaften Ergebnisse zusätzlich verdreht wurden.

Zusammenfassung der japanischen Studie (1): 417 randomisierte Krebs-Patienten (Durchschnittsalter 66 Jahre; männlich 66%; Speiseröhrenkrebs 10%; Magenkrebs 42%; Darmkrebs 48%) wurden über einen durchschnittlichen Zeitraum von 3,5 Jahre beobachtet. Während dieser Periode wurde einer Gruppe (251 Probanden) geringe Mengen an Vitamin D (2000 I.E. / täglich) verabreicht, während die andere Gruppe (166 Probanden) Placebos erhielt.

Ergebnis: Bei Krebspatienten, deren Verdauungstrakt vom Tumor betroffen war, führte die Einnahme von Vitamin D im Vergleich zu Placebo nach 5 Jahren zu keiner signifikanten Verbesserung der Krebserkrankung in Bezug auf Mortalität und Rezidive.


Die fünfgliedrige Fehlerkette haben wir hier nach dem Video von Dr. von Helden zusammengefasst:

  • Signifikante Ergebnisse zu Gunsten von Vitamin D wurden nicht gewürdigt: Bei genauer Betrachtung der Ergebnisse stellt man fest, dass sehr wohl signifikante positive Veränderungen bei der Rückfallquote und Sterblichkeit zu verzeichnen waren, wenn der Vitamin D-Spiegel bei den Patienten zu Untersuchungsbeginn zwischen 20-40 ng/ml lag. Trotz einer unangemessenen niedrigen Dosierung von nur 2000 I.E. konnte die krebsfreie Überlebensdauer um 20% gesteigert werden, wenn  ein 25(OH)D-Startlevel von mindestens 20 ng/ml vorlag. Patienten mit niedrigeren Vitamin D-Serumwerten hätten also durch höhere Initialdosen folglich ebenfalls profitieren können.
  • Pauschal 2000 I.E. zu verabreichen ist nicht genug: Führende Vitamin D-Experten sind sich einig, dass 40 ng/ml die Untergrenze für eine gesundheitlich profitable Versorgung mit Vitamin D ist. Der optimale Vitamin D-Spiegel für gesunde Menschen ist daher zwischen 40-60 ng/ml angesiedelt. Bei Krebspatienten wird laut Dr. von Helden jedoch sogar ein Spiegel von 80 ng/ml angestrebt. Um auf diesen Wert zu kommen, müssen in Absprache mit einem Arzt entweder Initialdosen oder weitaus höhere, dem Körpergewicht angepasste Dosierungen verabreicht und laufend gemessen werden.
  • Hintergrundversorgung wurde nicht beücksichtigt: Beide Gruppen hatten im Beobachtungszeitraum eine Vitamin-D-Grundversorung von 1400 I.E.. Das bedeutet, dass tatsächlich Vitamin D-Mengen von 3400 I.E. (100%) und 1400 I.E. (41%) verglichen wurden und nicht wie im Bericht angeführt 2000 I.E. mit 0 I.E.. Die fehlende Signifikanz ist daher nicht überraschend.
  • Die Randomisierung hatte zufällig besonders viele alte Patienten in der Vitamin D-Gruppe: Während in allen anderen Altersgruppen die Placebo-Probanden zahlenmäßig überlegen waren, machten bei der fortgeschrittensten Altersgruppe (74-90 Jahre) die Vitamin D-Probanden mehr als das doppelte aus. Auch wenn angeblich dieser Effekt in der Analyse, wie auch immer, herausgerechnet wurde, wird Vitamin D dadurch in ein schlechtes Licht gerückt.

Schlussendlich ist die Studie nach heutigem Wissenstand ohnehin sehr fragwürdig, da inzwischen zahlreiche Literatur zum Thema Vitamin D und seine positive Wirkung auf das Krebsgeschehen vorhanden ist. Krebspatienten bewusst eine adäquate Vitamin D-Versorgung vorzuenthalten, die zu einem Serum-Spiegel von mindestens 40-60 ng/ml führt, ist nicht nur substanzlos, sondern auch unter ethischen Gesichtspunkten sehr fraglich.

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Diabetes-Studie mit schlechtem Design unterschlägt Fakten

Dass derartiges Vorgehen kein Einzelfall ist, zeigt eine weitere Studienanalyse (3) zum Thema Typ 2-Diabetes aus dem Juni 2019, dessen Zusammenfassung sich wie folgt darstellt:

2423 Teilnehmer, die glykämische Kriterien für Prädiabetes (konstant hohe Zuckerwerte im Blut) erfüllten, wurden durch Randomisierungsverfahren in 2 Gruppen zu 1211 und 1212 Personen unterteilt. Eine Gruppe wurde 24 Monate täglich mit 4000 I.E. Vitamin D supplementiert während die andere Gruppe nur Placebos zu sich nahm. Nach 2,5 Jahren traten bei 293 Teilnehmern der Vitamin D-Gruppe und bei 323 Teilnehmern der Placebo-Gruppe primäre Diabetes-Folgen auf. Das Risiko einen Diabetes zu entwickeln war bei der Vitamin D-Gruppe also nur um 12%, also laut Studienautoren nicht signifikant geringer als in der Placebo-Gruppe.

Nun, die Teilnehmer in der Vitamin D-Gruppe hatten zu Studienbeginn bereits - für den meist unterversorgten Durchschnittsbürger - außergewöhnlich hohe Vitamin D-Spiegel von 27,7 ng/ml und konnten diese in 24 Monaten Supplementationszeit auf durchschnittlich 54,3 ng/ml erhöhen. Die Teilnehmer der Placebo-Gruppe hatten zu Beginn noch höhere 25(OH)D-Werte von > 28 ng/ml. Selbsterklärend, dass bei so hohen Vitamin D-Vergleichswerten keine exorbitanten Veränderungen auf die Entwicklung des Diabetes zu erwarten waren.

Derartige Fehler im Studiendesign sind keine Einzelfälle - doch damit nicht genug! Sieht man sich die Untergruppenanalyse der Studie etwas genauer an, so kommt man zu dem Schluss, dass ein entscheidendes Detail in der Zusammenfassung von den Studienautoren unterschlagen wurde:

Bei den Probanden, deren Vitamin D-Spiegel unter 12 ng/ml lagen, konnte eine 62%-ige Reduzierung des Risikos, einen Diabetes des Typ 2 zu entwickeln, festgestellt werden.

Fazit: Meist lohnt es sich, das Design einer Studie genau unter die Lupe zu nehmen um unsinnige Schlussfolgerungen aufzudecken. Glücklicherweise gibt es auch zahlreiche Gegenbeispiele gut aufgebauter Studien, die grundlegende Erkenntnisse über Vitamin D in ihrem Studiendesign berücksichtigen, wie z.B. die Untergrenze einer optimalen Versorgung ab 40 ng/ml, die Vorteile einer täglichen Vitamin D-Einnahme, oder die zusätzliche Supplementierung mit den Cofaktoren Magnesium und Vitamin K2. 

Quellen:

  1. Urashima, M., Ohdaira, H., Akutsu, T., Okada, S., Yoshida, M., Kitajima, M., & Suzuki, Y. (2019, April 09). Effect of Vitamin D Supplementation on Relapse-Free Survival Among Patients With Digestive Tract Cancers: The AMATERASU Randomized Clinical Trial. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30964526
  2. YouTube-Video von Raimund von helden: https://www.youtube.com/watch?v=akJ9CpWCpCk
  3. Pittas, A. G., Dawson-Hughes, B., Sheehan, P., Ware, J. H., Knowler, W. C., Aroda, V. R., . . . D2d Research Group. (2019, June 07). Vitamin D Supplementation and Prevention of Type 2 Diabetes. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31173679