Vitamin-D-Mangel kann bei älteren Menschen zu Osteopenie, Osteoporose und erhöhtem Sturzrisiko führen. In dieser klassischen Rolle fördert Vitamin D die Knochengesundheit bei jüngeren und älteren Erwachsenen, hat seinen Siegeszug gegen die Kinderkrankheit Rachitis angetreten und verhindert Frakturen bei den Älteren der Gesellschaft. Seit einiger Zeit wird jedoch auch die Rolle von Vitamin D in der Muskelkrafterhaltung und Sturzverminderung betont.
Der Artikel in Kürze:
› Das Knochen-Vitamin regelt Kalzium- und Phosphorstoffwechsel
› Vitamin D verhindert Rachitis
› Schutz vor Alterung der Knochen
› Stärkung der Muskulatur durch Vitamin D
› Viele Stürze können verhindert werden
› Wie wichtig ist die Kombination mit Kalzium?
Das Knochen-Vitamin regelt Calcium- und Phosphorstoffwechsel
Vitamin D-Mangel ist eine weit verbreitete medizinische Diagnose, die eine wichtige Rolle bei der menschlichen Knochengesundheit spielt. Ein schwerer Vitamin-D-Mangel (25-OH-D < 10 ng/ml) führt bei Kindern zu Rachitis und bei Erwachsenen zu einer Osteomalazie (=Knochenerweichung) und Osteoporose (=Knochenschwund), was zu Knochenschmerzen und Frakturen bzw. Deformierung der Knochen führt (1, 2).
Vitamin D ist ein entscheidender Faktor beim Kalzium- und Phosphorstoffwechsel und hilft sicherzustellen, dass ausreichende Mengen dieser Mineralstoffe für metabolische Funktionen und zur Knochenmineralisierung zur Verfügung stehen. Das Sonnenhormon erhöht die Effizienz der Calciumabsorption im Darm von 10-15% auf 30-40%. Auf der Grundlage mehrerer Tierversuche wird angenommen, dass Vitamin D auch die Phosphoraufnahme über den Darm von 50-60% auf etwa 80% erhöht (3).
Vitamin D verhindert Rachitis
Das bekannteste Problem eines kindlichen Vitamin D-Mangels ist die Rachitis. Dabei kommt es durch die ungenügende Kalziumaufnahme aus der Nahrung infolge von Vitamin D-Mangel zu einer unzureichenden Einlagerung des Kalziums in die Knochen des betroffenen Kindes. Dies wiederum führt zur Knochenerweichung und -Verformung, die besonders an den Beinen auffällig sind, jedoch alle anderen Skelettanteile ebenfalls betreffen.
Dieses Problem der ersten Kinderjahre wurde jedoch – zumindest in Deutschland – seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts durch die konsequente Verabreichung von Vitamin D an alle neugeborenen Kinder bis zum zweiten Lebensjahr nahezu vollständig beseitigt.
Vitamin D schützt vor Alterung der Knochen
Eine Studie (4) von Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Universität von Kalifornien konnte nachweisen, dass ein Mangel an Vitamin D nicht nur den Aufbau und den Erhalt der Knochen bremst, sondern die Knochen auch vorzeitig altern lässt. Die Gefahr von Knochenbrüchen wächst.
Ursache für den Alterungsprozess sei eine Mineralisationsstörung, so der Studienleiter Dr. Björn Busse. Ohne ausreichendes Vitamin D gelingt die Einlagerung von Kalzium, dem „Knochenbau-Material“, bei der ständigen Erneuerung und beim Umbau der Knochen nicht.
Wird das neu angelegte Gewebe nicht mineralisiert, belegt das unmineralisierte Gewebe einen großen Teil der Knochenoberfläche und verhindert so die Einlagerung der Knochenzellen.
Busse: „Die Kombination aus altem, mineralisiertem Knochen, der nicht adäquat erneuert werden kann, und Knochen, der durch den Vitamin-D-Mangel nicht mineralisiert, kann dazu führen, dass Menschen sich die Knochen brechen“. Bei Vitamin D-Mangel steigt das Risiko von Knochenbrüchen nach dieser Studie um fast eine Drittel.
Das Fazit der Forscher: Eine ausreichende und ausgewogene Vitamin D-Versorgung ist absolut unerlässlich für den Erhalt einer tragfähigen Knochenstruktur.
Stärkung der Muskulatur durch Vitamin D
Neben der positiven Wirkung auf die Knochendichte hat Vitamin D einen unmittelbaren stärkenden Effekt auf die Muskulatur, was neben einer Begünstigung des Kalziumeinstroms in die Muskelzelle durch eine rezeptorvermittelte Stimulation der Muskelproteinsynthese erklärt wird (5, 6). Möglicherweise ist dieser Zusatzeffekt für die Frakturreduktion unter Vitamin-D-Supplementierung entscheidend, da Stürze der primäre Risikofaktor für Frakturen sind.
Dies untermauern auch Studienergebnisse, wonach es bereits nach zwei bis drei Monaten der Supplementierung von Vitamin D zu einer signifikanten Reduktion des Sturzrisikos kommt, die Muskulatur also sehr schnell auf eine Vitamin-D-Zufuhr reagiert, und wonach sich die Frakturreduktion bereits nach etwa sechs Monaten bemerkbar macht (7).
Das Sonnenhormon vermindert Sturzrisiko
In einer 2004 publizierten Meta-Analyse (8), basierend auf 5 randomisierten Doppelblindstudien (1237 Teilnehmer), reduzierte Vitamin D das Sturzrisiko einer älteren Person um 22% im Vergleich zu Placebo oder Kalzium. Die bei der Beurteilung von Therapien immer sehr wichtige “Number needed to treat” (NNT) war 15, was bedeutet, dass 15 Personen therapiert werden müssten, um eine Person vor einem Sturz zu bewahren.
Die weitere Analyse der Daten ergab auch in diesem Zusammenhang wieder, dass die ausreichend hohe Dosierung von Vitamin D sehr wichtig ist. In einer Studie (9), die nur geringe Gaben von 400 I.E. Vitamin D untersuchte, kam es zu keiner Sturzreduktion, während in zwei Studien, die 800 I.E. Vitamin D plus Kalzium (1.200 mg/Tag) testeten, eine Verminderung des Sturzrisikos um 35% auftrat (8).
Ab dem 75. Lebensjahr ist die Hüftfraktur die häufigste Fraktur, wobei bis zu 50% der Betroffenen mit einer dauerhaften Behinderung rechnen müssen, 15% bis 25% droht der Eintritt in eine Pflegeinstitution, und bis zu 20% versterben im ersten Jahr nach ihrer Fraktur (10,11,12). Die exponentielle Zunahme der Hüftfrakturen führt zu einer geschätzten Häufigkeit von einer unter 3 Frauen, und einem unter 6 Männern mit einer erlittenen Hüftfraktur in der neunten Lebensdekade. Analog ist die durch Hüftbrüche verursachte Behinderung in der älteren Bevölkerung enorm und die geschätzten Kosten sollen allein in den USA von 7,2 Milliarden im Jahr 1990 auf 16 Milliarden im Jahr 2020 ansteigen (13). Diese gewaltige Zahlen unterstreichen die Bedeutung der Knochengesundheit für unsere gesamte Gesundheit und unser Gesundheitssystem.
90 % aller Frakturen sind Folgen von Stürzen
Zentral für das Verständnis und die Behandlung von Frakturen bei älteren Menschen ist der enge Zusammenhang mit Muskelschwäche und erhöhtem Sturzrisiko. Über 90% aller Frakturen treten aufgrund eines Sturzereignisses auf und Sturzereignisse sind in der älteren Bevölkerung häufig. Sturzraten nehmen pro Dekade etwa 10% zu, wobei über 30% aller zu Hause lebenden älteren Personen im Alter von 65 Jahren einmal pro Jahr stürzen.
Eine 2005 publizierte Meta-Analyse hochqualitativer Primärpräventionsstudien (n = 9829) zeigte, dass 700-800 I.E. Vitamin D pro Tag das relative Risiko für eine Hüftfraktur um 26% und jegliche Fraktur außerhalb der Wirbelsäulen um 23% im Vergleich zu Kalzium oder Placebo verringern. Hingegen war eine Dosis von nur 400 I.E. oder ein damit verbundener Anstieg des 25-Hydroxyvitamin D auf nur etwa 24 ng/ml nicht ausreichend für eine Risikominderung durch Vitamin D (14).
Der Anti-Fraktur-Effekt trat in einem Rechenmodell abhängig vom Vitamin D-Spiegel erst ab mindestens 30 ng/ml auf. Ein solcher Wert wurde nur in Behandlungsstudien mit 700-800 I.E. Vitamin D erreicht (17). Epidemiologische Studien belegen eine Steigerung der Beinkraft bei älteren Personen durch höhere Vitamin D-Spiegel und eine optimale Beinkraft bei Vitamin D-Spiegeln zwischen 30 und 40 ng/ml (15).
Wie wichtig ist die Kombination mit Kalzium?
Eine weitere Meta-Analyse mit einem Schwerpunkt auf hochwertigen Doppelblindstudien zeigt, dass Kalziumsupplemente alleine in einer Dosierung von 800-1.600 mg am Tag das Risiko für Frakturen außerhalb der Wirbelsäule nicht beeinflusst und das Hüftbruchrisiko um 64% erhöht (16).
Eine mögliche Erklärung für den negativen Effekt einer ausschließlichen Gabe von Kalzium könnte sein, dass Kalziumgaben die Phosphat-Aufnahme hemmen (17). Falls nun Phosphat fehlt, wird das in den Knochen einzubauende Kalzium-Phosphatprodukt gestört. Da bei älteren Personen durch eine verminderte Eiweißaufnahme oft ein Phosphatmangel besteht, können so Kalziumsupplemente ohne Vitamin D bei älteren Personen zu einem Knochenabbau beitragen und das Hüftbruchrisiko erhöhen.
Diese These bestätigt eine Meta-Analyse von 4 Doppelblindstudien, die Kalzium-Supplemente ohne Vitamin D gegen Placebo verglichen (18). In derselben Meta-Analyse wurden auch prospektive Kohortendaten zur gesamten Kalziumeinnahme bezüglich Hüftfrakturrisiko untersucht. Für die Osteoporose-Prävention in der täglichen Praxis sind daher reine Vitamin-D-Supplemente interessant, die dann mit einer Kalzium- und proteinreichen Ernährung kombiniert werden können.
Quelle: Pressemeldung UKE
Studien:
- Gani, L. U., & How, C. H. (2015, August). PILL Series. Vitamin D deficiency. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4545131/
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- Wacker, M., & Holick, M. F. (2013, January 10). Vitamin D – effects on skeletal and extraskeletal health and the need for supplementation. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3571641/
- Björn Busse et al., Vitamin D Deficiency Induces Early Signs of Aging in Human Bone, Increasing the Risk of Fracture, Science Translational Medicine, 10 July 2013, 5/193, p. 193ra88
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