Demenz und Alzheimer

Laut aktuellen Statistiken sind weltweit 46,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Unter Demenz versteht man eine chronische Erkrankung des Gehirns, die mit einem Verfall verschiedener Fähigkeiten zusammenhängt. Dabei treten Gedächtnisverlust, Orientierungslosigkeit, Vergesslichkeit und weitere Störungen im Sprechen, Verstehen, Erkennen von Sinnesreizungen und Handlungsfolgen auf. Des Weiteren nehmen kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten im Laufe der Erkrankung ab. Demenz ist der Überbegriff von zahlreichen Erkrankungen, von denen Alzheimer die häufigste und wohl bekannteste ist.


Heutzutage weiß man, dass das Gehirn aus Neuronen besteht, die über Verzweigungen ein großes Netzwerk bilden, deren Kontaktstellen man als Synapsen bezeichnet. Sie verbinden die Nervenzellen miteinander und sind für die Informationsübertragung von Bedeutung. Werden diese Verbindungen oder die Nervenzellen selbst beschädigt oder zerstört, kommt es zu Beeinträchtigungen und in weiterer Folge zum Absterben der Zellen und damit zu den allseits bekannten Symptomen wie Erinnerungslücken, Sprachstörungen, Orientierungslosigkeit, Verwirrung usw.

Man unterscheidet zwischen primäre und sekundäre Demenzen, wobei erstere aktuell laut schulmedizinischem Wissen als nicht heilbar gelten und zweitere Folgesymptome anderer Erkrankungen sind. Es gibt verschiedene Ursachen und Therapiemöglichkeiten. Im Verlauf dieses Beitrages wird auf die mitwirkende Rolle von Vitamin D eingegangen.


Vitamin D-Mangel – der Risikofaktor für Demenz

Zu den risikomindernden Funktionen in Bezug auf Demenz, kann der Körper von zusätzlichen unterstützenden Wirkungen des Vitamin D profitieren. Auf das Gehirn wirkt sich aktives Vitamin D durch verschiedene Effekte schützend aus:

  • Förderung des Wachstums und der Reifung der Neuronen
  • Reduktion von Thrombosen
  • Regulation des Renin-Angiotensin-Systems
  • hohe Konzentrationen können durch Unterdrückung entzündlicher neurovaskulärer Schäden als Neuroprotektivum (Lebenserhaltung von Nervenzellen und -fasern) wirken (20)

Das Sonnenhormon bietet Schutz bis ins hohe Alter

Eine 2010 im JAMA Internal Medicine Journal veröffentlichte Untersuchung aus Italien mit 858 Erwachsenen über 65 Jahre, unterstreicht den Nutzen von Vitamin D zur Erhaltung der geistigen Fähigkeiten im hohen Alter. So wird in den Ergebnissen festgehalten, dass das Risiko eines erheblichen kognitiven Leistungsabbaus, gemessen mittels MMSE-Tests (Mini-Mental-Status-Test), um 60% gesteigert wird, wenn ein schwerwiegender Vitamin D-Mangel (<25 nmol/l = 10 ng/ml) vorliegt. Bei diesem Test werden die kognitiven Fähigkeiten eines Patienten u. a. nach Orientierung und Gedächtnisfähigkeit beurteilt, um Diagnosen oder etwaige Risikoanalysen zu erstellen. Verglichen wurden dabei Probanden mit Vitamin D-Mangel und solche mit regelrechter Versorgung (<75 nmol/l = 30 ng/ml).

Weiterführend zeigt dieselbe Studie auf, dass Vitamin D-Mangelpatienten im Vergleich zu den ausreichend Versorgten, um zusätzliche 0,3 MMSE-Punkte jährlich abbauten (15).

Eine weitere Studie (14) bestätigte im Jahr 2015 den Zusammenhang zwischen Vitamin D-Insuffizienz, strukturellen Anomalien des Gehirns, kognitivem Verfall und Demenz. Das Ergebnis war eindeutig. Die Werte zeigten, wie zu erwarten, das häufige Auftreten von Vitamin D-Insuffizienz bei älteren Menschen. Unabhängig der Ethnizität, kognitiver Basisfähigkeit und einer Vielzahl anderer Risikofaktoren, war die Vitamin D-Insuffizienz aber mit signifikant schnelleren Rückgängen sowohl des episodischen Gedächtnisses als auch der Leistungsfähigkeit der Exekutivfunktion verbunden, was einem erhöhten Risiko für eine Alzheimer-Demenz gleichkommt.

Ferner schnitten auch bei dieser Untersuchung Testpersonen mit niedrigerem Vitamin D-Spiegel schlechter bei den sogenannten MMSE-Tests ab (9).

Eine im April 2022 publizierte Beobachtungsstudie und Randomisierung (Auswertung anhand genetischer Marker) hat die Zusammenhänge von Vitamin D auf die Gehirngesundheit unter die Lupe genommen. Genaugenommen wurden die Zusammenhänge auf das Demenz- und Schlaganfallrisiko untersucht. Dazu wurden die Inzidenzen der auftretenden Fälle von Demenz und Schlaganfällen der UK-Biobank ausgewertet, welche eine andauernde prospektive Kohortenstudie ist, in der sich 502.504 Teilnehmer zwischen 37-73 befinden.

Die Ergebnisse konnten einen Zusammenhang zwischen Vitamin D und einem erhöhten Demenz- sowie Schlaganfallrisiko herstellen. Die höchste Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken, wurde festgestellt, wenn die Vitamin D-Werte unter 20 ng/ml betrugen. In der Auswertung der mendelschen Randomisierung wurde festgestellt, dass das Risiko bei den Probanden um 54 % zunimmt, wenn der Vitamin D-Spiegel 10 ng/ml statt 20 ng/ml beträgt.
Des Weiteren wurde festgestellt, dass Demenz bei 17 % der Teilnehmer vermieden werden könnte, wenn die Serumwerte des Vitamin D auf 20 ng/ml erhöht werden. Diese Erkenntnis deuten darauf hin, dass wenn der Spiegel noch weiter erhöht werden würde, das Risiko dadurch weiterhin gesenkt und Demenzerkrankungen vermieden werden könnten.

Doppeltes Risiko für Demenz weil Vitamin D-Spiegel zu niedrig

Eine weitere Studie mit 1.658 älteren Personen (73-74 Jahre) aus den USA, die frei von Herzkreislauferkrankungen waren und keine Demenz zu Beginn der Studie hatten, bestätigt ebenso, dass Vitamin D-Mangel ein Risikofaktor für Demenz ist. Es zeigt sich eine starke Assoziation zwischen den Ausgangskonzentrationen des Vitamin D-Spiegels und allen Formen von Demenz (siehe Abb. 1). Von den Teilnehmern entwickelten 171 Menschen während einer Nachbeobachtungszeit von 5,6 Jahren eine Demenz, wobei das Risiko bei Vitamin D-Spiegeln von <10 ng/ml um den Faktor 2,25 und höher lag im Vergleich zur Gesamtkohorte (Abb. 1).
Bei den Probanden mit Vitamin D-Spiegeln zw. 10 – 20 ng/ml, war das Risiko um den Faktor 1,7 höher als bei der Gesamtkohorte (13).

In der Zusammenfassung finden die Forscher klare Worte für die Resultate:

„Unsere Ergebnisse bestätigen, dass ein Vitamin-D-Mangel mit einem deutlich erhöhten Risiko für Demenz und Alzheimer einhergeht (13).“

 

Abb. 1: Verlaufsuntersuchung zur Häufigkeit unspezifischer Demenz und Alzheimer-Demenz in Abhängigkeit vom Vitamin D Spiegel (nach 13).

Auch bei der Demenzkrankheit Alzheimer hat man herausgefunden, dass Hypovitaminose D wahrscheinlich auch eine vorausgehende Rolle bei der Entwicklung von anderen Demenzarten spielt (17,18). Dysfunktionen des Gehirns, wie beispielsweise abnehmende kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit, Aktualisierung von Informationen und mentale Verschiebungen, konnten laut einem Forschungsbericht so bereits anhand der Vitamin D-Versorgung prognostiziert werden (19).

Vitamin D beim Schutz vor Alzheimer stark beteiligt

Alzheimer ist eine progressive neurodegenerative Erkrankung des Zentralnervensystems, die durch neuronalen Verlust in vielen Bereichen des Gehirns gekennzeichnet ist. Sie wurde 1907 zum ersten Mal vom deutschen Psychiater Alois Alzheimer beschrieben und tritt vor allem bei älteren Menschen mit zunehmender Anzahl auf. In den letzten Jahren häufen sich die Hinweise darauf, dass Vitamin D und seine Rezeptoren neurodegenerativen Mechanismen entgegenwirken können.

Bereits 2007 wurden in einer Studie Verbindungen genetischer Art zwischen dem Vitamin D-Rezeptor und Alzheimer hergestellt. Dabei wurde eine potentielle Risikosteigerung an Alzheimer zu erkranken um den Faktor 2,3 festgestellt, wenn bestimmte genetische Voraussetzungen erfüllt waren (4).

In weiteren Erhebungen wurde ein Zusammenhang der Abnahme kognitiver Leistungsfähigkeit mit Vitamin D-Rezeptor-Polymorphismen bestätigt (5, 6). Deshalb wird den Genen und Rezeptoren, die mit am Vitamin D-Stoffwechsel und dessen Transport beteiligt sind, eine besondere Bedeutung in der aktuellen Alzheimer-Forschung zugewiesen.

Niedrige Vitamin D-Spiegel korrelieren laut aktuellen Studien mit kognitivem Leistungsabbau und wirken sich negativ auf die Entwicklung und Funktion des Gehirns aus (7, 8, 9, 10). Bei einer dieser Untersuchungen aus dem Jahr 2009 wurden die Vitamin D-Spiegel von Alzheimer-Patienten gemessen. Es stellte sich auch hier heraus, dass Patienten mit sehr niedrigen Spiegeln (3-12 ng/ml) um den Faktor 2,3 überrepräsentiert waren, im Vergleich zu jenen mit ausgewogener Vitamin D-Versorgung (26-68 ng/ml) (11).

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013 belegt zudem, dass Alzheimer-Patienten niedrigere Vitamin D-Spiegel im Blut aufwiesen als Gesunde (12).

Nicht verwunderlich also, dass bei Patienten, die sich bereits im Anfangsstadium der Alzheimer-Krankheit befanden, mittels Vitamin D-Gaben das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt werden konnte, so eine Untersuchung aus dem Jahr 2014. Die Behandlung mit Vitamin D könne laut Autoren einen Schutz gegen das Fortschreiten der Krankheit bieten (16).

Fazit:

“Vitamin D ist an sämtlichen Mechanismen für die Gesunderhaltung des Gehirns beteiligt und kann wohlmöglich Demenzen und Alzheimer vorbeugen, das Fortschreiten unterbinden und auch bei der Heilung unterstützen. Ein Vitamin D-Mangel, der über längere Zeit andauert, sollte daher vermieden werden und es sollte dafür gesorgt werden, dass der Körper ausreichend mit dem Sonnenhormon genährt wird. ”


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Quellen:

  1. https://de.statista.com/themen/2032/demenzerkrankungen-weltweit/#dossierContents__outerWrapper
  2. https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn-nerven/demenz/was-ist-das.html#:~:text=Demenz%20ist%20ein%20Oberbegriff%20f%C3%BCr,emotionalen%20und%20sozialen%20F%C3%A4higkeiten%20ab.
  3. https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/demenz/hintergrund
  4. Gezen-Ak, D., Dursun, E., Ertan, T., Hanağasi, H., Gürvit, H., Emre, M., . . . Yilmazer, S. (2007, July). Association between vitamin D receptor gene polymorphism and Alzheimer’s disease. Retrieved from http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17592215
  5. Kuningas, M., Mooijaart, S. P., Jolles, J., Slagboom, P. E., Westendorp, R. G., & Van, D. (2009, March). VDR gene variants associate with cognitive function and depressive symptoms in old age. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17714831
  6. Beydoun, M. A., Ding, E. L., Beydoun, H. A., Tanaka, T., Ferrucci, L., & Zonderman, A. B. (2012, January). Vitamin D receptor and megalin gene polymorphisms and their associations with longitudinal cognitive change in US adults. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22170372
  7. Annweiler, C., Schott, A. M., Allali, G., Bridenbaugh, S. A., Kressig, R. W., Allain, P., . . . Beauchet, O. (2010, January 05). Association of vitamin D deficiency with cognitive impairment in older women: Cross-sectional study. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19794127
  8. McCann, J. C., & Ames, B. N. (2008, April). Is there convincing biological or behavioral evidence linking vitamin D deficiency to brain dysfunction? Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18056830
  9. Wilkins, C. H., Sheline, Y. I., Roe, C. M., Birge, S. J., & Morris, J. C. (2006, December). Vitamin D deficiency is associated with low mood and worse cognitive performance in older adults. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17138809
  10. Oudshoorn, C., Mattace-Raso, F. U., Van, N., Colin, E. M., & Van, T. J. (n.d.). Higher serum vitamin D3 levels are associated with better cognitive test performance in patients with Alzheimer’s disease. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18503256
  11. Llewellyn, D. J., Langa, K. M., & Lang, I. A. (2009, September). Serum 25-hydroxyvitamin D concentration and cognitive impairment. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19073839
  12. Annweiler, C., Llewellyn, D. J., & Beauchet, O. (n.d.). Low serum vitamin D concentrations in Alzheimer’s disease: A systematic review and meta-analysis. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23042216
  13. Littlejohns, Thomas J.; Henley, William E.; Lang, Iain A.; Annweiler, Cedric; Beauchet, Olivier; Chaves, Paulo H. M. et al. (2014): Vitamin D and the risk of dementia and Alzheimer disease. In: Neurology 83 (10), S. 920–928. DOI: 10.1212/WNL.0000000000000755.
  14. Miller, Joshua W.; Harvey, Danielle J.; Beckett, Laurel A.; Green, Ralph; Farias, Sarah Tomaszewski; Reed, Bruce R. et al. (2015): Vitamin D Status and Rates of Cognitive Decline in a Multiethnic Cohort of Older Adults. In: JAMA neurology 72 (11), S. 1295–1303. DOI: 10.1001/jamaneurol.2015.2115.
  15. Llewellyn, D. J., Lang, I. A., Langa, K. M., Muniz-Terrera, G., Phillips, C. L., Cherubini, A., . . . Melzer, D. (2010, July 12). Vitamin D and risk of cognitive decline in elderly persons. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20625021
  16. Chaves, M., Toral, A., Bisonni, A., Rojas, J. I., Fernández, C., García, M. J., . . . Golimstok, A. (n.d.). [Treatment with vitamin D and slowing of progression to severe stage of Alzheimer’s disease]. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25153973
  17. Annweiler, C., Fantino, B., Schott, A. M., Krolak-Salmon, P., Allali, G., & Beauchet, O. (2012, July). Vitamin D insufficiency and mild cognitive impairment: Cross-sectional association. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22339714
  18. Annweiler, C., Rolland, Y., Schott, A., Blain, H., Vellas, B., & Beauchet, O. (2012, January 19). Serum Vitamin D Deficiency as a Predictor of Incident Non-Alzheimer Dementias: A 7-Year Longitudinal Study. Retrieved from https://www.karger.com/Article/Abstract/334944?id=pmid:6610841
  19. Annweiler, C., Montero-Odasso, M., Llewellyn, D. J., Richard-Devantoy, S., Duque, G., & Beauchet, O. (n.d.). Meta-analysis of memory and executive dysfunctions in relation to vitamin D. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23948884
  20. Navale, Shreeja S et al. (2022, April). Vitamin D and brain health: an observational and Mendelian randomization study. Retreived from: https://academic.oup.com/ajcn/advance-article/doi/10.1093/ajcn/nqac107/6572356

Abbildung: Littlejohns, Thomas J.; Henley, William E.; Lang, Iain A.; Annweiler, Cedric; Beauchet, Olivier; Chaves, Paulo H. M. et al. (2014): Vitamin D and the risk of dementia and Alzheimer disease. In: Neurology 83 (10), S. 920–928. DOI: 10.1212/WNL.0000000000000755.

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