Der Darm als Schlüsselfaktor unseres Immunsystems profitiert ebenfalls vom Sonnenhormon. Der Darmepithel-Vitamin D-Rezeptor spielt bei der Kontrolle von Schleimhautentzündungen und der Entwicklung einer Colitis (chronisch verlaufende Entzündung des Dickdarms) eine Schlüsselrolle. Auch das Reizdarmsyndrom sowie das sogenante Leaky Gut-Syndrom (Darmdurchlässigkeit) aber auch das Mikrobiom als Ganzes werden maßgeblich von Vitamin D beeinflusst.
Vitamin A und D bei Darmdurchlässigkeit (Leaky Gut-Syndrom)
Die Vitamin D-Steuerung im Darm bewirkt eine Stärkung der Schleimhautbarriere, wovon die Barrierefunktion profitiert. Eine gesunde und intakte Schleimhaut-Barriere verhindert das Eindringen von Bakterien in den Blutkreislauf und reduziert so Schleimhautentzündungen. Diese Eigenschaften unterstützen eine gesunde Darmflora, verhindern Infektionen und wirken sich unabhängig von anderen Rezeptor-Wirkungen positiv auf das Immunsystem aus (1).
Neue Aspekte ergeben sich 2019 aus Untersuchungen, in denen der Einfluss von Vitamin A in Kombination mit Vitamin D auf das Mikrobiom diskutiert wird, insbesondere auf die Barrierefunktion des Darms.
Die Forschungsarbeit belegt, dass die beiden Mikronährstoffe Vitamin A und D die Expression der sogenannten Tight Junction-Proteine der Darmepithelzellen regulieren. Als Tight Junction-Proteine werden schmale Bänder aus Membranproteinen bezeichnet, die den Zellverband des Epithelgewebe in der Darmwand abdichten und somit die Darmdurchlässigkeit verhindern (“Leaky Gut-Syndrom”). Ferner tragen diese Proteine wesentlich zur Stabilität des Epithelverbandes bei, indem sie die Zytoskelette der teilnehmenden Zellen miteinander verbinden und so auch eine Kommunikation der Zellen erlauben. Offenbar begünstigt ein kombinierter Vitamin-D- und Vitamin-A-Mangel eine durchlässige Darmwand mit all ihren negativen Folgen (2).
Das Mikrobiom braucht Vitamin D
Ein Defizit an Vitamin D und Vitamin A führt außerdem zu Dysbalancen in der Darmflora sowie erhöhter Anfälligkeit für Infektionen oder Schädigungen des Magen-Darm-Traktes (2). Ferner schwächt Vitamin D T-Zell-vermittelte Immunreaktionen, die zum Beispiel an der Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Inflammatory Bowel Disease/IBD) beteiligt sind.
Randomisierte Studien mit IBD-Patienten bestätigen die Schutzfunktion von Vitamin D gegen Erkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa und weisen darauf hin, dass die Vitamin D-Supplementation ein sinn- wie wirkungsvoller therapeutischen Ansatz für Patienten mit einer aktiven (Immun-) Erkrankung ist (Abb. 1), (3).
Therapeutische Ansätze gibt es bereits. Eine Publikation aus dem Jahr 2016 dokumentiert einen durch Vitamin-D-Mangel hervorgerufenen Vitamin B-Mangel im Darm, der inflammatorische Zustände herbeiführt und sich somit schädlich auf das Immunsystem auswirkt. Nach drei Monaten Supplementierung von Vitamin D plus 100 mg aller B-Vitamine verbesserte sich die Darm-Symptomatik nachweislich bei 1000 neurologischen Patienten, die auch weniger Schmerzen empfanden (5). Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Kombination von Vitamin D und B-Vitaminen ein Darmmilieu schafft, das die Wiederherstellung der vier spezifischen Spezies Actinobacteria, Bacteroidetes, Firmicutes und Proteobacteria begünstigt, die das normale menschliche Mikrobiom ausmachen.
Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist eine funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen und beeinträchtigt vermutlich weit mehr, als die 11 Millionen diagnostizierten Patienten in Deutschland. Symptomatisch für RDS sind: Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen, Verstopfungen oder Bauchkrämpfe. Nach offiziellen Zahlen leiden auch ca. 5% der Kinder an dieser Erkrankung. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass Vitamin D auch dabei eine Schlüsselrolle einnimmt und bei der Behandlung von RDS unbedingt berücksichtig werden sollte.
Der Umstand, dass Vitamin D bei RDS-Patienten in vergangenen Studien besonders niedrig war, nährte die Hoffnung, mit dem Sonnenhormon einen wichtigen Baustein in der Therapie gegen das Reizdarmsyndrom gefunden zu haben. Eine randomisierte kontrollierte Interventionsstudie aus dem Jahr 2018 (6) unterstützt diese These nachhaltig.