Das Sonnenhormon zählt zu den wichtigen Einflussfaktoren auf das Immunsystem. Vitamin D ist nicht nur auf das engste mit der Regulation des Immunsystems in unserem Körper verbunden, sondern wirkt sich auch gezielt auf Infektionskrankheiten und Autoimmunerkrankungen aus. Eine aktuelle Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 bezeichnet Vitamin D gar als „Überlebensmolekül“ (1), das auf zwei ganz unterschiedlichen Wegen das Immungeschehen steuert (Abb. 1).
Die Studienautoren messen dem Vitamin D eine stressreduzierende Aktivität bei, Zitat: „Die Fähigkeit von Vitamin D, den metabolischen Stress und den Energieverbrauch in der Zellmikroumgebung zu reduzieren ist faszinierend. Diese Fähigkeit lässt auf eine umfassendere Aufgabe schließen, die über ihre immun-tolerante oder immun- / entzündungshemmende Rolle hinausgeht.“
Das Immunsystem braucht Vitamin D
Wir sind umgeben von Bakterien, Pilzen, Viren und Parasiten, die alle voller Begierde versuchen, in unseren Körper einzudringen. Das braucht uns allerdings nicht zu beunruhigen, denn der Körper ist seit Millionen von Jahren daran gewöhnt und hat sich darauf mit einem ganzen Arsenal von Abwehrmaßnahmen eingerichtet, das permanent im Einsatz ist. Inzwischen wissen wir, dass in unserem Darm mehr Bakterien und Viren enthalten sind als wir körpereigene Zellen haben. Die Gesamtheit dieser Mikroorganismen wird „Mikrobiota“ genannt und ist nicht nur für die Verdauung unserer Nahrung unentbehrlich, sondern steht in inniger Verbindung mit dem Immunsystem. Vitamin D ist an diesem Geschehen intensiv beteiligt. Dabei sind wir weit davon entfernt, alle Facetten dieses neuen Organs zu kennen, geschweige denn, damit umzugehen.
Abb 1: Vitamin D als „Überlebens Molekül“ durch Modulation des Immunsystems: Hemmung der Entzündungsreaktion infolge von zellulärem Stress (roter Pfeil) und Förderung spezieller Immunzellen zur Unterstützung von Reparaturprozessen (grüner Pfeil), (1, Bildquelle: Hevert).
Das klassische Abwehrsystem geht los mit einem Säureschutzmantel auf der Haut, Enzymen in der Tränenflüssigkeit und im Speichel, konzentrierter Salzsäure im Magen, laugenähnlichen Verhältnissen im angrenzenden Zwölffingerdarm und Flimmerhärchen in den oberen Luftwegen, um nur einige Abwehrmechanismen zu nennen.
Gelingt es den Angreifern gelegentlich doch, in den Körper einzudringen, steht das Immunsystem mit einer ganzen Batterie von Abwehrwaffen bereit. Dabei arbeiten verschiedene Organe wie Knochenmark, Lymphknoten, Milz, Thymus und Mandeln zusammen. Ihre Zellen produzieren spezielle Substanzen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben.
Subjektiv erleben wir die Abwehrreaktionen des Körpers als die typischen Symptome einer lokalen oder generalisierten Entzündung: vermehrte Durchblutung, Überwärmung und Schmerz. Für das Verständnis des Immungeschehens im Körper ist es nun noch wichtig zu wissen, dass dieses komplexe System minutiös gesteuert wird. Dabei gilt es, sowohl einen Angreifer rechtzeitig zu erkennen und die Abwehr zu mobilisieren, als auch unnötige Abwehrreaktionen zu verhindern, die dem Körper einen Schaden zufügen. Ein solcher Schaden kann aus zwei Gründen eintreten:
Zum einen können die Abwehrreaktionen zu heftig oder zu lange andauernd sein. Dann resultiert ein chronischer Krankheitsverlauf, im Rahmen dessen die Entzündung zu erheblichen Veränderungen von Geweben und zu Funktionsstörungen von Organen führen kann. Zum anderen kann die Immunreaktion durch eine Fehlinformation ausgelöst werden, die unter Umständen sogar dazu führt, dass sich die Abwehrreaktion gegen körpereigenes Gewebe richtet. Dies bezeichnen wir dann als eine Auto-Immunerkrankung. Auch hier kann es im Verlauf zu erheblichen Schäden und Störungen kommen.
Nachdem nahezu alle Körperzellen über Rezeptoren für Vitamin D verfügen, trifft diese Aussage auch für die Zellen des Immunsystems zu.
Eine elementare Voraussetzung ist allerdings, dass die Dosis des Sonnenhormons möglichst täglich verabreicht wird und groß genug ist, um den Vitamin D-Spiegel in einen Bereich von 40-60 ng/ml zu bringen. Die überwiegende Zahl der fehlgeschlagenen Studien, die gerne gegen die Wirkung von Vitamin D angeführt werden, ist auf solche Unzulänglichkeiten im Studiendesign zurückzuführen.
Um zu erfahren warum die tägliche Verabreichung von Vitamin D so essentiell ist, klicken Sie hier.
Mit Vitamin D gegen Infektionskrankheiten
Betrachtet man die zahlreich vorhandenen ordnungsgemäß durchgeführten Vitamin D-Studien, so kann das Sonnenhormon durchaus als Überlebensmolekül bezeichnet werden. Nachfolgend wollen wir einige Untersuchungen zur Bedeutung von Vitamin D bei Infektionskrankheiten vorstellen (erworbenes Immunsystem).
Abb. 2: Virusinfektion können das körpereigene Immunsystem überfordern. (Bildquelle: www.pixabay.de)
Tuberkulose
Zum Thema Infektionserkrankungen bietet sich, auch unter historischen Aspekten, die Tuberkulose an. Sie wurde vor der Zeit der Antibiotika in Sanatorien gezielt mit Sonnenlicht behandelt. Die Erkrankung wird auch als Schwindsucht bezeichnet, da sie unbehandelt die Menschen völlig auszehrt.
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2014, an der knapp 1000 Kinder aus London beteiligt waren ergab, dass Kinder mit einem Vitamin D-Mangel ein signifikant höheres Risiko hatten, an Tuberkulose zu erkranken (2). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Untersuchung von etwa 650 Kindern aus Spanien (3): die Gruppe der Kinder mit Tuberkulose wiesen deutlich niedrigere Vitamin D Spiegel als die gesunden Kinder der Kontrollgruppe auf (mittlerer Vitamin D-Wert 13.7 ng/ml vs. 25.7 ng/ml).
Hepatitis C
Zusätzlich zu den Untersuchungen der Tuberkulose finden sich inzwischen auch zunehmend Berichte über die Bedeutung von Vitamin D bei der Hepatitis C, einer weiteren, schweren Infektionserkrankung. So findet sich auch bei Hepatitis C Patienten noch häufiger als in der Normalbevölkerung ein Vitamin D Mangel, der einen negativen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat (4). Zu einem ähnlichen Resultat kommt eine Metaanalyse (zusammenfassende Untersuchung) von 18 Studien mit mehr als 3500 Patienten mit bereits fortgeschrittener Fibrose der Leber (5).
Malaria
Und noch eine weitere, weltweit gefürchtete Erkrankung zeigt eine Abhängigkeit vom Vitamin-D: die Malaria Erkrankungen. So fanden sich bei Kindern aus Uganda mit einer schweren Malaria signifikant niedrigere Vitamin D Spiegel als bei gesunden Kindern. Die statistische Auswertung (Regressionsanalyse) ergab für einen (rechnerischen) Anstieg von Vitamin D im Serum von 1 ng/ml ein um jeweils 9 % verringertes Risiko für eine schwere Malariaerkrankung (6).
Erkältungskrankheiten, Atemwegserkrankungen und Asthma
Weitaus interessanter für die allgemeine Bevölkerung bei uns in Deutschland ist die Diskussion über einen Mangel an Vitamin D als Ursache für das gehäufte Auftreten von Erkältungskrankheiten in den Wintermonaten. Bereits 2006 erschien eine erste Veröffentlichung, die die von der Jahreszeit abhängigen Grippeepidemien mit der reduzierten Produktion des Sonnenhormons in den Wintermonaten in Verbindung brachte (7).
Die These wird durch weitere Publikationen unterstützt: Finnische Wissenschaftler bestimmten die Vitamin D-Werte bei 800 Soldaten. In den anschließenden sechs Monaten wurde die Häufigkeit der aufgetretenen Erkältungen registriert. Die Gruppe mit den niedrigsten Vitamin D-Werten hatte doppelt so viele Infekt bedingte Ausfalltage wie die Gruppe mit den höchsten Vitamin D-Spiegeln (8).
Bei einer randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudie wurden von Dezember 2008 bis März 2009 340 Schulkinder beobachtet, von denen die Hälfte mit 1200 IE/Tag Vitamin D versorgt wurden. Als Resultat wurde eine Risikoreduktion um 64% bei Influenza A und 83% bei Asthmaanfälle bei den Kindern festgestellt, die bis zu dieser Untersuchung noch keine anderen Vitamin D-Präparate eingenommen hatten (9).
Eine 2017 veröffentlichte, ebenfalls randomisierte Untersuchung mit über 11.000 Teilnehmern im Alter von 0 – 95 Jahren, zeigte bei jenen Probanden mit ausgeprägtem Vitamin D-Mangel (<10 ng/ml), eine um 70 % geringere Wahrscheinlichkeit eine akute Atemwegsinfektion zu entwickeln, wenn sie regelmäßig mit ausreichend Vitamin D versorgt wurden (10). Den Teilnehmern mit höheren Vitamin D-Spiegeln (>10 ng / ml) konnte eine Risikoreduzierung um 25% attestiert werden.
Eine 2015 veröffentlichte Auswertung (11) an 3921 Patienten ergab ein um 33 % höheres Risiko an einer Infektion der oberen Atemwege zu erkranken, wenn der Vitamin D-Spiegel im Serum unter 20 ng/ml betrug.
Abb. 3: Sinkende Häufigkeit der Atemwegserkrankungen in Abhängigkeit vom Vitamin D-Spiegel. Die Grafik verdeutlicht, dass bei niedrigen Vitamin D-Spiegeln vermehrt Erkrankungen zu verzeichnen sind (siehe steilen Anstieg der Kurve), während ab ca. 40 ng/ml keine weitere Steigerung der Krankheitsfälle mehr auftritt (nach 11).
Auch bei an Asthma erkrankten Patienten glänzt Vitamin D als Schutzfaktor, wie folgendes Diagramm (Abb. 4), das eine Zusammenfassung von 7 evidenzbasierten Studien mit insgesamt 435 Kindern und 658 Erwachsenen, aufzeigt. Nach 4-12 Monaten Beobachtungsdauer unter Vitamin D-Gabe, konnte eine 37 %-ige Risiko-Reduktion für eine kortisonbedürftige Exazerbation (Verschlechterung) nachgewiesen werden (12). Die asthmabedingten Anfälle und die damit einhergehende Anzahl der Krankenhausaufenthalte konnte durch die Verabreichung von Vitamin D halbiert werden.
Abb. 4: Anzahl der der Asthmaanfälle und Krankenhausaufenthalte konnten durch Vitamin D halbiert werden (nach 12).
Eine deutsche Arbeit erfasste 927 Teilnehmer von denen 600 entweder Asthmatiker oder COPD-Patienten waren. Da die Vitamin D-Spiegel im Durchschnitt bei 16,1 ng/ml lagen, wurde eine individuelle Aufsättigung nach dem Set-up-Schema von Dr. von Helden vorgenommen. Über das Ergebnis einer deutlichen Verbesserung der Infektproblematik freuten sich respektable 80% der Probanden (13)!
Darmerkrankungen
Der Darm ist bekanntlich untrennbar mit dem Immunsystem verbunden und profitiert insofern ebenfalls vom Sonnen-Hormon. Die Vitamin D-Steuerung im Darm bewirkt eine Stärkung der Barrierefunktion und der angeborenen Immunreaktion. Diese Eigenschaften unterstützen eine gesunde Darmflora und verhindern Infektionen. Ferner bewirkt Vitamin D eine Abschwächung der T-Zell-vermittelten Immun-Reaktionen, die zum Beispiel an der Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) beteiligt sind.
Randomisierte Studien mit solchen IBD-Patienten bestätigen die Schutzfunktion von Vitamin D gegen Erkrankungen wie M. Crohn und weisen darauf hin, dass die Vitamin D-Supplementation einen therapeutischen Ansatz für Patienten mit einer aktiven (Immun-) Erkrankung darstellt (14).
Eine Publikation aus dem Jahr 2016 dokumentiert einen durch Vitamin D-Mangel hervorgerufenen Vitamin B5-Mangel (Pantothensäure), der inflammatorische Zustände herbeiführt und sich somit schädlich auf das Immunsystem auswirkt. Nach 3 Monaten Supplementierung von Vitamin D plus B-Vitaminen konnte bei 1000 neurologischen Patienten eine Verbesserung der Darmsymptomatik, reduziertes Schmerzempfinden und ein verbessertes Schlafverhalten verzeichnet werden (15).
Quellen:
- Chirumbolo, Salvatore; Bjorklund, Geir; Sboarina, Andrea; Vella, Antonio (2017): The Role of Vitamin D in the Immune System as a Pro-survival Molecule. In: Clinical therapeutics 39 (5), S. 894–916. DOI: 10.1016/j.clinthera.2017.03.021
- Venturini, Elisabetta; Facchini, Ludovica; Martinez-Alier, Nuria; Novelli, Vas; Galli, Luisa; Martino, Maurizio de; Chiappini, Elena (2014): Vitamin D and tuberculosis. A multicenter study in children. In: BMC infectious diseases 14, S. 652. DOI: 10.1186/s12879-014-0652-7
- Arnedo-Pena, A.; Juan-Cerdan, J. V.; Romeu-Garcia, A.; Garcia-Ferrer, D.; Holguin-Gomez, R.; Iborra-Millet, J. et al. (2015): Vitamin D status and incidence of tuberculosis among contacts of pulmonary tuberculosis patients. In: The international journal of tuberculosis and lung disease : the official journal of the International Union against Tuberculosis and Lung Disease 19 (1), S. 65–69. DOI: 10.5588/ijtld.14.0348.
- Villar, Livia Melo; Del Campo, Jose Antonio; Ranchal, Isidora; Lampe, Elisabeth; Romero-Gomez, Manuel (2013): Association between vitamin D and hepatitis C virus infection. A meta-analysis. In: World journal of gastroenterology 19 (35), S. 5917–5924. DOI: 10.3748/wjg.v19.i35.5917.
- Garcia-Alvarez, Monica; Pineda-Tenor, Daniel; Jimenez-Sousa, Maria A.; Fernandez-Rodriguez, Amanda; Guzman-Fulgencio, Maria; Resino, Salvador (2014): Relationship of vitamin D status with advanced liver fibrosis and response to hepatitis C virus therapy. A meta-analysis. In: Hepatology (Baltimore, Md.) 60 (5), S. 1541–1550. DOI: 10.1002/hep.27281
- Cusick, Sarah E.; Opoka, Robert O.; Lund, Troy C.; John, Chandy C.; Polgreen, Lynda E. (2014): Vitamin D insufficiency is common in Ugandan children and is associated with severe malaria. In: PloS one 9 (12), e113185. DOI: 10.1371/journal.pone.0113185.
- Cannell JJ, Vieth R, Umhau JC, Holick MF, Grant WB, Madronich S, Garland CF, Giovannucci E. Epidemic influenza and vitamin D. Epidemiology and infection 2006;134(6):1129–40.
- Laaksi I, Ruohola JP, Tuohimaa P, Auvinen A, Haataja R, Pihlajamäki H, Ylikomi T. An association of serum vitamin D concentrations < 40 nmol/L with acute respiratory tract infection in young Finnish men. American Journal of Clinical Nutrition 2007;86(3):714–7.
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- Martineau, A. R., Jolliffe, D. A., Hooper, R. L., Greenberg, L., Aloia, J. F., Bergman, P., . . . Camargo, C. A. (2017, February 15). Vitamin D supplementation to prevent acute respiratory tract infections: Systematic review and meta-analysis of individual participant data. Retrieved from https://www.bmj.com/content/356/bmj.i6583
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