Knochen, Muskeln und Sturzgefahr

Knochen, Muskeln und Sturzgefahr

Vitamin-D-Mangel kann bei älteren Menschen zu Osteopenie, Osteoporose und erhöhtem Sturzrisiko führen. In dieser klassischen Rolle fördert Vitamin D die Knochengesundheit bei jüngeren und älteren Erwachsenen, hat seinen Siegeszug gegen die Kinderkrankheit Rachitis angetreten und verhindert Frakturen bei den Älteren der Gesellschaft. Seit einiger Zeit wird jedoch auch die Rolle von Vitamin D in der Muskelkrafterhaltung und Sturzverminderung betont.

Vitamin D stärkt Knochen und verhindert Alterung

Vitamin D-Mangel ist eine weit verbreitete medizinische Diagnose, die eine wichtige Rolle bei der menschlichen Knochengesundheit spielt. Ein schwerer Vitamin-D-Mangel (25-OH-D < 10 ng/ml) führt bei Kindern zu Rachitis und bei Erwachsenen zu einer Osteomalazie (=Knochenerweichung) und Osteoporose (=Knochenschwund), was  zu Knochenschmerzen und Frakturen bzw. Deformierung der Knochen führt (1, 2).

Vitamin D ist ein entscheidender Faktor  beim Kalzium- und Phosphorstoffwechsel und hilft sicherzustellen, dass ausreichende Mengen dieser Mineralstoffe für metabolische Funktionen und zur Knochenmineralisierung zur Verfügung stehen. Das Sonnenhormon erhöht die Effizienz der Calciumabsorption im Darm von 10-15% auf 30-40%. Auf der Grundlage mehrerer Tierversuche wird angenommen, dass Vitamin D auch die Phosphoraufnahme  über den Darm von 50-60% auf etwa 80% erhöht (3).

poröser Knochen

Eine Studie (4) von Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Universität von Kalifornien konnte nachweisen, dass ein Mangel an Vitamin D nicht nur den Aufbau und den Erhalt der Knochen bremst, sondern die Knochen auch vorzeitig altern lässt. Die Gefahr von Knochenbrüchen wächst.

Ursache für den Alterungsprozess sei eine Mineralisationsstörung, so der Studienleiter Dr. Björn Busse. Ohne ausreichendes Vitamin D gelingt die Einlagerung von Kalzium, dem "Knochenbau-Material", bei der ständigen Erneuerung und beim Umbau der Knochen nicht.

Wird das neu angelegte Gewebe nicht mineralisiert, belegt das unmineralisierte Gewebe einen großen Teil der Knochenoberfläche und verhindert so die Einlagerung der Knochenzellen.


Stärkung der Muskulatur durch Vitamin D

Neben der positiven Wirkung auf die Knochendichte hat Vitamin D einen unmittelbaren stärkenden Effekt auf die Muskulatur, was neben einer Begünstigung des Kalziumeinstroms in die Muskelzelle durch eine rezeptorvermittelte Stimulation der Muskelproteinsynthese erklärt wird (5, 6). Möglicherweise ist dieser Zusatzeffekt für die Frakturreduktion unter Vitamin-D-Supplementierung entscheidend, da Stürze der primäre Risikofaktor für Frakturen sind.

Dies untermauern auch Studienergebnisse, wonach es bereits nach zwei bis drei Monaten der Supplementierung von Vitamin D zu einer signifikanten Reduktion des Sturzrisikos kommt, die Muskulatur also sehr schnell auf eine Vitamin-D-Zufuhr reagiert, und wonach sich die Frakturreduktion bereits nach etwa sechs Monaten bemerkbar macht (7).


Das Sonnenhormon vermindert Sturzrisiko

In einer 2004 publizierten Meta-Analyse (8), basierend auf 5 randomisierten Doppelblindstudien (1237 Teilnehmer), reduzierte Vitamin D das Sturzrisiko einer älteren Person um 22% im Vergleich zu Placebo oder Kalzium. Die bei der Beurteilung von Therapien immer sehr wichtige “Number needed to treat” (NNT) war 15, was bedeutet, dass 15 Personen therapiert werden müssten, um eine Person vor einem Sturz zu bewahren.

Die weitere Analyse der Daten ergab auch in diesem Zusammenhang wieder, dass die ausreichend hohe Dosierung von Vitamin D sehr wichtig ist. In einer Studie (9), die nur geringe Gaben von 400 I.E. Vitamin D untersuchte, kam es zu keiner Sturzreduktion, während in zwei Studien, die 800 I.E. Vitamin D plus Kalzium (1.200 mg/Tag) testeten, eine Verminderung des Sturzrisikos um 35% auftrat (8).

Ab dem 75. Lebensjahr ist die Hüftfraktur die häufigste Fraktur, wobei bis zu 50% der Betroffenen mit einer dauerhaften Behinderung rechnen müssen, 15% bis 25% droht der Eintritt in eine Pflegeinstitution, und bis zu 20% versterben im ersten Jahr nach ihrer Fraktur (10,11,12). Die exponentielle Zunahme der Hüftfrakturen führt zu einer geschätzten Häufigkeit von einer unter 3 Frauen, und einem unter 6 Männern mit einer erlittenen Hüftfraktur in der neunten Lebensdekade. Analog ist die durch Hüftbrüche verursachte Behinderung in der älteren Bevölkerung enorm und die geschätzten Kosten sollen allein in den USA von 7,2 Milliarden im Jahr 1990 auf 16 Milliarden im Jahr 2020 ansteigen (13). Diese gewaltige Zahlen unterstreichen die Bedeutung der Knochengesundheit für unsere gesamte Gesundheit und unser Gesundheitssystem.

Quellen:

  1. Gani, L. U., & How, C. H. (2015, August). PILL Series. Vitamin D deficiency. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4545131/
  2. Dawson-Hughes B, Harris SS, Krall EA, Dallal GE. Effect of calcium and vitamin D supplementation on bone density in men and women 65 years of age or older. The New England journal of medicine 1997;337(10):670–6.
  3. Wacker, M., & Holick, M. F. (2013, January 10). Vitamin D – effects on skeletal and extraskeletal health and the need for supplementation. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3571641/
  4. Björn Busse et al., Vitamin D Deficiency Induces Early Signs of Aging in Human Bone, Increasing the Risk of FractureScience Translational Medicine, 10 July 2013, 5/193, p. 193ra88
  5. Bischoff-Ferrari, H. A., Borchers, M., Gudat, F., Dürmüller, U., Stähelin, H. B., & Dick, W. (2004, February). Vitamin D receptor expression in human muscle tissue decreases with age. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14969396
  6. Ceglia, L., Da Silva Morais, M., Park, L. K., Morris, E., Harris, S. S., Bischoff-Ferrari, H. A., . . . Dawson-Hughes, B. (2010, April). Multi-step immunofluorescent analysis of vitamin D receptor loci and myosin heavy chain isoforms in human skeletal muscle. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20549314
  7. Bischoff-Ferrari, H. A., Dawson-Hughes, B., Staehelin, H. B., Orav, J. E., Stuck, A. E., Theiler, R., . . . Henschkowski, J. (2009, October 01). Fall prevention with supplemental and active forms of vitamin D: A meta-analysis of randomised controlled trials. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19797342
  8. Bischoff-Ferrari, H. A., Dawson-Hughes, B., Willett, W. C., Staehelin, H. B., Bazemore, M. G., Zee, R. Y., & Wong, J. B. (2004, April 28). Effect of Vitamin D on falls: A meta-analysis. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15113819
  9. Graafmans, W. C., Ooms, M. E., Hofstee, H. M., Bezemer, P. D., Bouter, L. M., & Lips, P. (1996, June 01). Falls in the elderly: A prospective study of risk factors and risk profiles. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8633602
  10. Magaziner, J., Hawkes, W., Hebel, J. R., Zimmerman, S. I., Fox, K. M., Dolan, M., . . . Kenzora, J. (2000, September). Recovery from hip fracture in eight areas of function. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10995047
  11. Tinetti, M. E., & Williams, C. S. (1997, October 30). Falls, injuries due to falls, and the risk of admission to a nursing home. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9345078
  12. Cummings, S. R., Kelsey, J. L., Nevitt, M. C., & O’Dowd, K. J. (1985). Epidemiology of osteoporosis and osteoporotic fractures. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3902494
  13. Cummings, S. R., Rubin, S. M., & Black, D. (1990, March). The future of hip fractures in the United States. Numbers, costs, and potential effects of postmenopausal estrogen. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2302881

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