Vitamin D schützt vor Multiple Sklerose

Vitamin D schützt vor Multiple Sklerose

Die Anzahl der MS-Erkrankungen in Deutschland hat sich in den vergangenen 4 Jahrzehnten verdoppelt und dürfte sich laut aktuellen Schätzungen auf rund 240.000 Fälle belaufen. Die Autoimmunerkrankung tritt schubweise auf und kann bei primär progredientem Verlauf innerhalb von acht bis zehn Jahren zum Tode führen. Doch aktuelle Forschungsergebnisse geben Betroffenen Grund zur Hoffnung. Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang von fehlender Sonneneinstrahlung und Vitamin D-Mangel und MS-Risiko (1).

Multiple Sklerose ist primär eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems mit einer herdförmigen Entmarkung der Nervenfasern. Dabei wird die Umhüllung der Nervenfasern zerstört, was zu einer Verschlechterung der Nervenleitfähigkeit (im Ernstfall zum kompletten Ausfall) und zu vielfältigen neurologischen Symptomen führt. Die Ursache für diese Schäden liegt wahrscheinlich in einer Autoimmunreaktion. Das klinische Bild ist von verschiedenen neurologischen Störungen geprägt: Lähmungen, Sehstörungen und Gangstörungen, zu denen später auch psychische Störungen wie Depressionen und Psychosen hinzukommen können.

Was bedeutet fehlende Sonneneinstrahlung?

An erster Stelle fehlt die lebenswichtige Bildung von Vitamin D über den Einfluss der UVB-Strahlung in der Haut. Nur ein geringer Teil wird über die Nahrung zugeführt. Vitamin D ist ein Pro-Hormon, welches nicht nur für den Knochen-Stoffwechsel, sondern praktisch von allen Organen benötigt wird. Unter anderem werden bis zu 1000 Gene mithilfe von Vitamin D geschaltet. Infolge der unzureichenden Sonneneinstrahlung kommt es auch in Deutschland altersunabhängig bei der großen Mehrheit der Bevölkerung zu einem Vitamin D-Defizit, insbesondere in den Wintermonaten. Eine Untersuchung von mehr als 5000 Patienten zwischen dem ersten und neunzigsten Lebensjahr aus dem Rhein-Main-Gebiet ergab übers Jahr einen durchschnittlichen Mittelwert unterhalb der kritischen Schwelle von 20 ng/ml. Lediglich die routinemäßig im ersten Lebensjahr mit Vitamin D supplementierten Kinder lagen im Referenzbereich von 30 ng/ml (2).

Das Risiko für einen ausgeprägten oder sehr starken Vitamin D-Mangel ist gerade bei Multiple Sklerose-Patienten sehr hoch. Eine holländische Studie mit einigen hundert MS-Patienten (3) zeigte eindrucksvoll, dass auch hier der mittlere Vitamin D-Blutwert bei knapp unter 20 ng/ml lag und insbesondere der Behinderungsgrad (EDSS) eng mit dem Vitamin D-Status korreliert.

Den kausalen Zusammenhang zwischen einem niedrigen 25[OH]D-Spiegel und dem Risiko an Multipler Sklerose zu erkranken, zeigen auch mehrere Studien aus Europa (4).

Vitamin D und das Immunsystem

Inzwischen ist eine ganze Reihe von Publikationen erschienen, die zeigen, dass Vitamin D eine bedeutende Rolle in der Pathophysiologie von Autoimmunerkrankungen zukommt. Diese Erkenntnis wird insbesondere durch experimentelle Untersuchungen untermauert, die folgende Fähigkeiten von Vitamin D zeigen:

  • die Regulation der Produktion von Chemokinen: Chemokine sind Signalproteinen welche die Anlockung von Zellen des Immunsystems an die Stelle der Entzündung regeln
  • der Entzündungsreaktion bei Autoimmunerkrankungen entgegenzuwirken
  • Differenzierung der Immunzellen: die Toleranz gegenüber den eigenen Geweben wird dadurch erhöht wird.

Konsequenzen für die Behandlung der MS

Verschiedenste Assoziationsstudien wurden in den letzten Jahren zum Vitamin D-Mangel veröffentlicht. Bereits 2010 konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls um 12% sank, wenn der Vitamin-D-Spiegel im Serum um 10 nmol/l (= 4 ng / ml) erhöht wurde (5). Weiter wurde gezeigt, dass die MRT-Untersuchung bei MS-Patienten mit vorliegendem Vitamin D-Mangel, im Vergleich zu Vitamin D-Spiegeln im Normalbereich, mit vermehrt Gadolinum aufnehmenden Herden assoziiert ist. Woraus geschlossen wurde, dass Vitamin D eine antientzündliche Wirkung bei MS besitzt. Des Weiteren wurden 5 vergleichbare Studien methodologisch ähnlichen Aufbaus in 5 verschiedenen Ländern durchgeführt, die den Vitamin D-Spiegel ins Verhältnis setzen zur Schubwahrscheinlichkeit. Analoge statistische Modelle ergaben die Reduktion von Rückfällen (MS-Schub) in 50 % bis zu 70 % (je nach Studie) bei einer Anhebung des 25[OH]D-Spiegels im Blut um 20 ng/ml. Bemerkenswert an diesen Studien ist, dass sie ähnlich aufgebaut durchgeführt wurden (Kohortenstudien ähnlicher Größe und Dauer), mit gleichen statistischen Modellen arbeiteten, auf 3 verschiedenen Kontinenten mit verschiedenem Klima, mit Jugendlichen und Erwachsenen mit akut entzündlichen Formen der MS, mit oder ohne Basistherapie und mit oder ohne Vitamin D-Supplementation. Die Tatsache, dass derart verschiedene Kontexte ein quasi gleiches Bild ergeben, zeigt sehr gut den “Vitamin D-Effekt” (1).

Der vorstehend dargestellte Effekt in Studien zur Reduzierung der Schubraten bezieht sich auf einen bestimmten Vitamin-D-Serumspiegel. Der Effekt erreicht ein Plateau in Bereichen oberhalb der Obergrenze von 44 ng/ml (110 mmol/l), d.h. es gibt keine weitere Reduzierung der Schübe. Die Rezidivreduktion beginnt mit Vitamin D-Serumwerten von 30 ng/ml (75 mmol/l) (1).

Sicherlich ist heute nicht alles über den Einfluss des Vitamin D bei MS bekannt. Allerdings ist es evident, dass der Beachtung des Vitamin D-Spiegels in der Behandlung eine entscheidende Rolle zukommt. Es bleiben Chancen ungenutzt und es werden unnötige Risiken eingegangen, wenn nicht schon heute der Messung und Optimierung des Vitamin D-Spiegels in der MS-Behandlung Priorität eingeräumt wird (1).
Ferner ist zu bedenken, dass der Einfluss von Vitamin D auf unseren Körper weit über die Bedeutung für das Krankheitsbild der Multiplen Sklerose hinausgeht. Dies wiederum hat eine besondere Relevanz für das Auftreten der bekannten Begleiterkrankungen der Multiplen Sklerose, wie Bluthochdruck, Depression, Fettstoffwechselstörungen und Migräne (6).

Quellen:

  1. Pierrot-Deseilligny, C., & Souberbielle, J. (2017, May). Vitamin D and multiple sclerosis: An update. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28619429
  2. Lemberg U (2012): Untersuchung zur Epidemiologie und Therapie des Vitamin D-Mangels in Deutschland, Dissertation Med.
    Fakultät, Universität Mainz
  3. Smolders, J., Damoiseaux, J., Menheere, P., & Hupperts, R. (2008, February). Vitamin D as an immune modulator in multiple sclerosis, a review. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18177949
  4. Marrie, R. A., & Beck, C. A. (2017, October 10). Preventing multiple sclerosis. Retrieved from https://n.neurology.org/content/89/15/1538
  5. Simpson, S., Taylor, B., Blizzard, L., Ponsonby, A., Pittas, F., Tremlett, H., . . . Van der Mei, I. (2010, August). Higher 25-hydroxyvitamin D is associated with lower relapse risk in multiple sclerosis. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20695012
  6. Horton, Myles; Rudick, Richard A.; Hara-Cleaver, Claire; Marrie, Ruth Ann (2010): Validation of a Self-Report Comorbidity
    Questionnaire for Multiple Sclerosis. In: Neuroepidemiology 35 (2), p. 83–90

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Vitamin D: Die erstaunliche Wirkung auf das Immunsystem und bei Multipler Sklerose

Vitamin D: Die erstaunliche Wirkung auf das Immunsystem und bei Multipler Sklerose

Multiple Sklerose

Mit 223.000 Betroffenen war MS im Jahre 2015 deutschlandweit eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen im frühen Erwachsenenalter.

Die Erkrankung tritt schubweise oder in progredienter Form (sekundär oder primär progredient) auf.

MS ist primär eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems mit einer herdförmigen Entmarkung der Nervenfasern. Dabei wird die Umhüllung der Nervenfasern zerstört, was zu einer Verschlechterung der Nervenleitfähigkeit (im Ernstfall zum kompletten Ausfall) und zu vielfältigen neurologischen Symptomen führt. Die Ursache für diese Schäden liegt wahrscheinlich in einer Autoimmunreaktion. Das klinische Bild ist von verschiedenen neurologischen Störungen geprägt: Lähmungen, Sehstörungen und Gangstörungen, zu denen später auch psychische Störungen wie Depressionen und Psychosen hinzukommen können.

UV-Strahlung unterstützt den Aufbau eines gesunden Immunsystems

Forscher von der Universität Münster kommen bei Versuchen mit MS-Kranken ebenso wie in Tierversuchen zu dem Ergebnis: Moderate Sonnenstrahlung unterstützt den Aufbau eines gesunden Immunsystems und hilft diesem beim Schutz des Zentralen Nervensystems.

Prof. Karin Loser, eine der StudienautorInnen: „Aus der Behandlung der Schuppenflechte wissen wir, dass UV-Licht eine positive Wirkung auf das Immunsystem hat.“ Die Forscher gingen nun der Frage nach, ob diese Wirkung auch bei anderen Autoimmunerkrankungen nachweisbar sein könnte.

T-Zellen

Über einen Zeitraum von sechs Wochen wurden neun MS-Patienten regelmäßig in einer eigens dafür konzipierten medizinischen Sonnenkammer bestrahlt. „Die Ergebnisse sind erstaunlich“, so Loser, „im Blut und in der Haut der Patienten fanden sich schon nach dem ersten Termin mehr regulatorische T-Zellen und dendritische Zellen als zuvor.“ Beide Zelltypen schützen das Immunsystem davor, sich bei einer Überreaktion selbst anzugreifen - dieser gefährliche Vorgang ist das zentrale Kennzeichen der Multiplen Sklerose.

Das Wissenschaftlerteam (Breuer et al., 2014) konnte nachweisen, dass die UV-B-Strahlung im Immunsystem von MS-Patienten einen komplexen Prozess auslöst: In der bestrahlten Haut bilden sich tolerogene dendritische Zellen, die dann in angegliederten Lymphknoten regulatorische T-Zellen „ausbilden“.

Parallel konnten bei Mäusen die genauen molekularen Wege entschlüsselt werden, die bei der UV-B-Bestrahlung eine Rolle spielen: Die durch die UV-Strahlen gebildeten regulatorischen Zellen wandern aus der Haut zum Ort der Entzündung, also ins Blut, in die Knochen oder - wie bei der MS - in das Zentrale Nervensystem. Hier lösen sie eine schützende Reaktion des Immunsystems aus und drosseln so die selbstzerstörerische Autoimmunität. Allerdings ließ dieser Effekt schneller nach als die Sonnenbräune: Wurde die Behandlung auch nur für wenige Tage unterbrochen, verschlechterten sich Blutwerte und Immunstatus wieder – sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen.

Die Ergebnisse zeigen klar, wie der Umweltfaktor UV-Licht die Entstehung und den Verlauf der Multiplen Sklerose beeinflusst. „Es gibt offenbar eine Achse zwischen Haut und Nervensystem. UV-B-Strahlung hat einen Einfluss auf die Immuntoleranz im Nervensystem. Der Einfluss ist kurzfristig, umkehrbar und geht weit über Effekte von Vitamin D allein hinaus“, so Prof. Heinz Wiendl, Direktor der Klinik für Allgemeine Neurologie der Universität Münster.

Mit Vitamin D gezielt gegen MS-Schübe

Inzwischen liegt nicht nur eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen vor, die den Nutzen von Vitamin D belegen, sondern es wird auch die gezielte Therapie der Erkrankung mit Vitamin D diskutiert. Basis für diese Überlegungen ist eine klinische Studie, in der 12 Patienten mit Multipler Sklerose im klinischen Schub für einen Zeitraum von 28 Wochen Vitamin D in hohen Dosen verabreicht bekamen. Die tägliche Zufuhr lag zwischen 4.000 und 40.000 I.E. Vitamin D (Kimball, Ursell, O'Connor & Vieth, 2007).

Die Behandlung wurde ohne Komplikationen und Beschwerden bei den Behandelten durchgeführt. Während sich der klinische Verlauf der Erkrankung kurzfristig nicht änderte, ging die Anzahl der im Gehirn nachweisbaren Herde unter der Therapie auf die Hälfte zurück! Mit diesem Therapieversuch konnte somit nicht nur die gute Verträglichkeit von Vitamin D bei einer Verabreichung in hohen Dosen, sondern auch der direkte Einfluss des Sonnenhormons auf die Multiple Sklerose gezeigt werden.

Es gilt inzwischen als gesichert, dass eine Supplementierung mit Vitamin D bei Betroffenen, die einen Vitamin D-Mangel aufweisen, zumindest beim schubförmigen Verlauf der MS, signifikant die Schubrate, bei gleichzeitiger Behandlung von Immunmodulatoren, um 50-70% senken kann. In einer im Jahr 2017 erschienenen Zusammenfassung zu dieser Thematik (Pierrot-Deseilligny & Souberbielle) wird von einer Schubratensenkung von 50 – 70% durch den vorteilhaften Effekt von Vitamin D berichtet, allerdings vornehmlich bei gleichzeitiger Behandlung mit Immunmodulatoren. Die Studie stellt zudem eine Plateaubildung mit Blick auf den sinnvoll zu erreichenden Vitamin D-Spiegel im Blut fest. Oberhalb von 60 ng/ml wurden keine weiteren positiven Effekte beobachtet

Das folgende Diagramm macht den positiven Effekt einer Vitamin D-Behandlung bei gleichzeitiger Einnahme von Immunmodulatoren deutlich. Die Balken stellen die rückläufige Häufigkeit der MS-Schübe in Prozent dar, wenn die Vitamin D-Spiegel der Patienten um 20 ng/ml erhöht wurden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aber auch ohne gleichzeitige Behandlung mit IMTs gibt es signifikante Ergebnisse. Schon 2010 sind in einer Verträglichkeitsstudie deutliche immunmodulatorische Effekte und deutliche Schubratenreduktionen durch hohe Vitamin D-Gaben beobachtet worden (Burton et al.).

Fazit

UV-Strahlung und Vitamin D helfen bei der Prävention von MS sowie bei der Behandlung der Krankheit in jedem Stadium. Alle Informationen darüber, wie Sie zu Ihrem optimalen Vitamin D-Spiegel kommen und was es dabei zu berücksichtigen gilt, erfahren Sie hier bei der SonnenAllianz unter dem Menüpunkt: Vitamin D-Einnahme.

 

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Das Projekt Life-SMS (Lebensstilmaßnahmen bei MS) — ebenso wie die SonnenAllianz ein Projekt der Deutschen Stiftung für Gesundheit und Information (DSGIP) — bietet Betroffenen und deren Therapeuten / Ärzte eine aktuelle Plattform, die Lebensstileffekte auf den Verlauf der Erkrankung transparent macht und es ermöglicht Änderungen im Lebensstil bewusst und praktisch umzusetzen.

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Quellen

Breuer J, Schwab N, Schneider-Hohendorf T, Marziniak M, Mohan H, Bhatia U, Groß CC, Clausen BE, Weishaupt C, Luger TA, Meuth SG, Loser K, Wiendl H., UVB light attenuates the systemic immune response in CNS autoimmunity. Annals of Neurology, 28. April 2014

Kimball, S. M., Ursell, M. R., Oconnor, P., & Vieth, R. (2007). Safety of vitamin D3 in adults with multiple sclerosis. The American Journal of Clinical Nutrition, 86(3), 645-651. doi:10.1093/ajcn/86.3.645

Pierrot-Deseilligny, C., & Souberbielle, J. (2017). Vitamin D and multiple sclerosis: An update. Multiple Sclerosis and Related Disorders, 14, 35-45. doi:10.1016/j.msard.2017.03.014

Burton, J. M.; Kimball, S.; Vieth, R.; Bar-Or, A.; Dosch, H-M; Cheung, R. et al. (2010): A phase I/II dose-escalation trial of vitamin D3 and calcium in multiple sclerosis. In: Neurology 74 (23), S. 1852–1859. DOI: 10.1212/WNL.0b013e3181e1cec2.

Abbildungen: Spitz, J. (2009). Vitamin D – Mangel die unterschätzte Gefahr. Gesellschaft für Medizinische Information und Prävention.

Fotos: www.unsplash.com